Kultur

Kultur wird feudalisiert

06.11.2007 | SN
Der Staat ziehe sich aus dem Kulturbetrieb zurück, kritisiert der Schriftsteller Ingo Schulze. Kulturpolitik sei Teil demokratischer Verantwortung.

Weimar (SN-hkk). Der Schriftsteller Ingo Schulze, dessen jüngster Roman "Neues Leben" heuer erschienen ist, warnt vor einem zu starken Einfluss der Wirtschaft auf den Kulturbetrieb. Der 44-Jährige sagte dies am Sonntagabend in Weimar nach der Verleihung des mit 6000 Euro dotierten Thüringer Literaturpreises 2007. "Die Tendenz zur Re-Feudalisierung des Kulturbetriebes geht einher mit einer allgemeinen Privatisierung und damit Ökonomisierung aller Lebensbereiche, des Gesundheitswesens, der Bildung, des Sports, des Verkehrssystems, der Wohnungswirtschaft, der Energiewirtschaft bis dahin, dass private Firmen Polizeiaufgaben übernehmen", sagte Schulze in seiner Rede, die im Wortlaut den SN vorliegt.

Er habe den von E.ON Thüringer Energie gestifteten Preis gern angenommen, aber dabei "einen Zwiespalt" empfunden. "Ich fragte mich, warum das Land Thüringen in seinem Kulturhaushalt nicht monatlich 250 Euro beiseite legt, um dann alle zwei Jahre einen Literaturpreis zu vergeben." Ihn irritiere eine Entwicklung in allen Gesellschaftsbereichen, die uns zunehmend auf solche verantwortungsvollen Chefs angewiesen sein lasse. Er halte es für begrüßenswert, dass ein Unternehmen bereit sei, Geld für Autoren auszugeben. Allerdings: "Mich stört, dass wir dabei sind, das aufzugeben, was in einem langen Prozess erkämpft worden ist, nämlich dass der demokratische Staat seine Verantwortung wahrnimmt, nicht nur für die Künste", sagte Ingo Schulze. "Mich stört, dass es kaum noch einen Ausstellungskatalog gibt ohne das Logo oder den Namen einer Firma, beinah jedes Festival oder Gastspiel gibt zu Beginn die Liste seiner Sponsoren bekannt." Diese Refeudalisierung sei bereits zur Selbstverständlichkeit verkommen. "Deshalb könnte man meinen, die Zustände in vielen deutschen Alters- und Pflegeheimen sind deshalb so erschreckend, weil es den Verantwortlichen nicht gelungen ist, Sponsoren aufzutreiben."

Wenn ein demokratischer Staat seine Verwaltung und seine Gesetze nicht so gestalte, dass er genug Geld habe, um seiner Verantwortung gerecht zu werden, "stellt er sich selbst in Frage", warnte Ingo Schulze. Die zu enge Anbindung der Kultur an ökonomische Kriterien sei fatal, denn so werde das Geld dorthin geleitet, wo es größtmögliche Beachtung erzeuge. Kunst könne durchaus als "Beitrag zur Standortattraktivierung" oder als "Werbefaktor" dienen. Doch Kunst müsse vor allem "um ihrer selbst willen" da sein, "so wie ein Mensch um seiner selbst willen da ist und sich nicht in erster Linie über seine Arbeits- und Kaufkraft definiert".

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