Aus dem Chaos lernen | |
Rem Koolhaas ist vermutlich der einzige Architekt, der seine Karriere nicht mit einem Haus, sondern mit einem Buch begonnen hat. |
Mit "Delirious Manhatten" betrat Rem
Koolhaas 1978 die internationale Szene und hat sie seither maßgeblich
beeinflusst. Das Buch war nicht das übliche Hochglanz-Blabla, sondern ein
Manifest, das die Gedankenwelt des Städtebaus grundlegend verändert
hat. Urbanes Panoptikum Als er Ende der 90er Jahre "S, M, X, XL" herausbrachte, konnte er
längst auf ein breites Oeuvre tatsächlich gebauter Projekte zurückblicken.
Vom spektakulären Einfamilienhaus in Bordeaux bis zum Masterplan für Lille
spannte sich der Bogen seines Schaffens. Der Schmöker im unhandlichen Ziegelformat durfte dank der wohlfeilen
Taschen-Ausgabe lange Zeit in keinem Intellektuellen-Haushalt fehlen. Das
Bilder-Buch vereinigte neben dem baukünstlerischen Werk der letzten
zwanzig Jahre Fotos der Berliner Mauer und japanischer Pornografie ebenso
wie Statistiken über Koolhaas' Hotelaufenthalte. Hier geht es einem um
mehr als nur Architektur, war die Botschaft zwischen den Zeilen. Koolhaas
schrieb sich mit dem Erfolg dieses Buchs endgültig in die Oberliga der
Schönen und Reichen ein. What's next? Der Gründer des Office for Metropolitan Architecture (O.M.A.) zeichnete sich stets durch erfrischend
unkonventionelle Architektur aus. Sie bezieht ihre Stärke nicht zuletzt
aus dem Umstand, dass die jeweils vorangegangenen Projekte keinen Schluss
auf das nächstfolgende zulassen. Verbindende Elemente gibt es dennoch: die
Vorliebe für scharfe Formen, der häufige Einsatz von vorgefertigten
industriellen Werkstoffen oder das Spielen mit Gegensatzpaaren wie offen
oder geschlossen. Junk Spaces Koolhaas geht es in seiner Arbeit nicht um Äußerlichkeiten. Er zeigt
kein Interesse an der großen Geste, die viele seiner Kollegen wie Frank O.
Gehry zum Liebling der Gazetten machten. Im Zentrum steht für ihn die
Gegenwart der zeitgenössischen Stadt und ihrer permanenten Veränderungen.
Warum eine elegante Fassade entwerfen, wenn die beständig mehr werdenden
"junk spaces" die lautere Sprache sprechen? Während viele seiner Kollegen über Themenparks und unkontrolliertem
Städtewachstum die Hände ringen, stellt er sich der Herausforderung und
begreift das urbane Chaos als Quelle der Inspiration. Konsequenterweise
hat er in der jüngsten Pubikation mit den Studenten seiner Havard Design
School das Thema Shopping einer kritischen Analyse unterzogen.
Im Jahr 2000 erhielt Rem Koolhaas den Pritzker-Preis, die höchstdotierteste und renommierteste
Auszeichnung der Zunft. Jury-Vorsitzender J. Carter Brown lobte den
herausragenden Vertreter einer "bemerkenswert unspektakulären
niederländischen Architekten-Generation für seinen "rastlosen Geist, seine
konzeptuelle Brillanz und die Fähigkeit, Gebäude singen zu lassen". Das
alles sichere ihm einen Platz am Firmament des zeitgenössischen
Designs. Eines der jüngsten Projekte von Rem Koolhaas ist der Umbau der zum
Weltkulturerbe erklärten Kocherei des Zollvereins Essen.
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