Salzburger Nachrichten am 21. Februar 2003 - Bereich: kultur
Der Regisseur der Objekte

Jugendlich wie eh und je: Das KunstHausWien widmet dem 73-jährigen Objektkünstler Daniel Spoerri eine unterhaltsame Retrospektive.

GÜNTHER FROHMANN

Er ist der Jongleur des banalen Alltagsprodukts. Selbst bezeichnet er sich als "Regisseur des Objekts": Einfallsreichtum, Phantasie und Lust zur Provokation des heute dreiundsiebzigjährigen Daniel Spoerri sind ungebrochen, wenn auch sein Werk schon längst zum klassischen Kanon des 20. Jahrhunderts zählt. Unter dem signifikanten Motto "Der Zufall als Meister" zeigt das KunstHausWien eine bis 1960 zurückreichende Werkschau.

1960 war für den aus Rumänien gebürtigen Tänzer, Regisseur und Flohmarktenthusiasten, der eigentlich Daniel Isaak Feinstein heißt und mit zwölf Jahren mit seiner Familie über abenteuerliche Wege in die Schweiz floh, ein entscheidendes Jahr: zusammen mit Exzentrikern wie Jean Tinguely mit seinen Maschinen-Skultpuren oder Yves Klein mit seinen monochromen Bildern gründete Spoerri eine Künstlergruppe, die unter der Bezeichnung "Nouveau Re`alisme" Furore machte. Dem einfachen Fundgegenstand, dem Objekt wurde künstlerische Aura zugesprochen.

Spoerris Beitrag waren seine legendären "Fallenbilder": er lud zu einem Mahl ein, nach einem Zeichen mussten Geschirr, Flaschen und Essensreste so verbleiben, wie sie gerade lagen. Auf einem Siebdrucktischtuch angeleimt, wurden sie um 90 Grad gedreht und an die Wand gehängt: als "Fallenbild" ein Produkt des Zufalls, reales Stillleben und Vanitas-Symbol.

Im KunstHausWien steht der Besucher vor solchen Relikten von Tafelfreuden im Schweizer Pavillon anlässlich der Expo 1992 in Sevilla: ein Fondue-Essen, ein Deutsches Geschirr mit Totenschädel und falschen 50-Francs-Noten, ein Japanischer Tisch. Überraschend ist die plastischmalerische Wirkung solcher Zeugnisse des Festhaltens von Ereignissen der Zeit. Die Schau präsentiert über diese Fallenbilder hinaus Facetten des virtuosen collageartigen Umgangs Spoerris mit dem Banalen, für Wieland Schmied hat er "das Prinzip der Collage so weit getrieben wie kein anderer".

Morduntersuchungen werden Realität

Ein besonderes Anliegen Spoerris sind makabre "Morduntersuchungen": kriminalistisches Anschauungsmaterial für Polizisten aus einem amerikanischen Handbuch wird mit realen Gegenständen konfrontiert: etwa ein Knoten in der Assemblage "Der Erhängte".

Seit 1995 entsteht der "Karneval der Tiere": Menschen und Tiere vergleichende Zeichnungen Charles Le Bruns aus dem 17. Jahrhundert - damals ein unerhörter Vorgang - werden in vergrößerten Kopien mit Objekten kombiniert, die Spoerri auf Pariser Flohmärkten findet und in seiner Fantasie auf das Dargestellte anspielen. So entstehen aberwitzige Arrangements etwa in der Form von "menschlichen Abbildungen verglichen mit Ochsen".

"Künstlerpaletten", anatomische Kabinette und witzige, hintergründige "Setzkästen", für Spoerri komprimierte Kulturgeschichte, runden das Bild des nach wie vor vitalen, Geist sprühenden Spoerri ab, der sich seit den neunziger Jahren in der Toskana niedergelassen hat.

Bis 1. Juni, tägl. 10 bis 19 Uhr, www.kunsthauswien.com.