Salzburger Nachrichten am 12. April 2002 - Bereich: kultur
Bauen wie ein Bildhauer

Als Eröffnungsausstellung seiner neuen Räume zeigt das Architekturzentrum Wien ein Porträt des amerikanischen Architekten Steven Holl.

JANA WISNIEWSKI

Als Dietmar Steiner, der Leiter des Architekturzentrums Wien (AZW), vor einigen Jahren von einem Journalisten gefragt wurde, wer der beste lebende Architekt sei, da antwortete er: Steven Holl. Was damals sicher eine gewagte Feststellung war, versucht Steiner nun zu bestätigen. Er ließ Holl eine eigenen Ausstellung im AZW einrichten. Seit Jean Nouvel, der seine Ausstellung im AZW ebenfalls selbst gestaltete, ist es die überzeugendste Präsentation bezüglich Inhalt und Form.

Steven Holl, 1947 in Bremerton im US-Bundesstaat Washington geboren, betreibt ein Atelier in New York und hat sich daneben durch Lehrtätigkeit und Ausstellungstä-tigkeit profiliert. In Europa wurde er erst in den letzten fünf Jahren, seit der Realisierung des Kiasma Museum of Contemporary Art in Helsinki, vermehrt wahrgenommen. Davor fiel er vorwiegend bei Wettbewerben durch Ideenreichtum und bestechende Lichtführung in seinen Bauten auf.

Die aktuelle Austellung im Wiener Museumsquartier zeigt Holls Vorgehensweise: angefangen bei fast tagebuchartigen farbigen Ideenskizzen in Aquarelltechnik, über einfache Kartonmodelle zu Architekturmodellen in der Art von Kleinskulpturen bis zum Großbildvideo, das alle Register moderner Computertechnologie zieht, ohne sich dabei in grafischen Spielereien zu verlieren. Die neuen Räume des AZW - einer mit natürlichem Licht und einer, der wie ein kleines Kino funktioniert - können ohne viel Ausstellungsarchitektur sinnvoll genützt werden.

Steven Holl geht meist von einer rohen Form aus, wie ein Bildhauer vom Stein. Der Ausgangspunkt kann ein Quader sein, in den die Öffnungen nicht nur als Nutzungsstrategie gefügt, sondern als visuelles Erlebnis und als Lichtführungsstrategie gesetzt werden. Ebenso kann Holl ein Ast, eine Wurzel, ein vegetatives Element dienen, welches zum Baukörper stilisiert wird. Oder er setzt geometrische und vegetative Elemente gemeinsam als Gegensatzpaar ein, wie etwa beim Museum der Entwicklungsgeschichte des Menschen im spanischen Burgos.


Chaos und Ordnung
ergänzen sich

In der Mehrzahl von Holls Bauten ergänzen sich Chaos und Ordnung, es wird immer etwas aufgebrochen und fügt sich dann doch zum Ganzen. Unter den präsentierten Projekten befinden sich vorwiegend Museen und öffentliche Gebäude in Frankreich und den USA. Sehr stark auf die umgebende Landschaft beziehen sich ein Bürogebäude in Amsterdam und ein Projekt, das den Architekturkünstler mit Österreich verbinden wird: der Weinpavillon in Langenlois.

Eine Meisterleistung der Darstellung eines Lebenswerkes ist das Video. Der reale Raum wird mit einem Rückblick auf die konzeptuelle Phase durchdrungen, reale Landschaft und Aquarell werden überblendet, als Bild im Bild wird die Geschichte der Entwicklung erzählt. Ebenso perfekt wird der Bestand an Modellen (unter Tageslicht) präsentiert, umgeben von einem Fries aus Aquarellen. Diese Aquarelle werden in einem eigenen Buch neben dem Katalog zur Ausstellung veröffentlicht. Für Wien hat sich der Architekt viel Arbeit gemacht, denn Europa reflektiert Architektur nach seinen Aussagen weit besser als die USA.