Kulturnation errichtet Hürden
Einreiseprobleme. Die Salzburger Sommerakademien sind für Studenten aus mehreren Ländern nur schwer zu erreichen.
Ernst Strobl Salzburg (SN). Das Problem ist nicht neu, es scheint sich aber zunehmend zu verschärfen. In Salzburg gibt es zwei weltweit renommierte Sommerakademien: Die von Oskar Kokoschka gegründete Internationale Sommerakademie für bildende Kunst und die schon 1916 gegründete Internationale Sommerakademie Mozarteum. Beide Institutionen sind Anziehungspunkt für den künstlerischen und musikalischen Nachwuchs aus aller Welt, um in Salzburg bei namhaften Dozenten und Experten ihr Wissen und Können auszuweiten.Wie nahe ist der Nahe Osten? Nur: Wie kommt man nach Österreich, wenn man etwa aus China stammt, aus Osteuropa oder aus dem sogenannten Nahen Osten? „Das Schlimme ist, dass Frauen in den Konsulaten Osteuropas beim Antrag für ein Visum behandelt würden, als ob sie sich in Österreich als Prostituierte verdingen würden“ und „arabische Studenten werden ohnehin als potenzielle Terroristen angesehen,“ beklagt Hildegund Amanshauser, die neue Leiterin der Sommerakademie für bildende Kunst. Mehreren Musikstudenten aus dem Iran oder dem Irak war es nicht möglich, nach Salzburg zu kommen, um musikalische Kurse zu absolvieren, weiß man auch am Mozarteum.
Für Studenten aus zahlreichen Ländern verlange man eine sogenannte „Elektronische Verpflichtungserklärung“, erklärt Michaela Bartsch, die Leiterin des Studentenbüros am Mozarteum. Die Unterschrift des kurz EVE genannten Dokuments kann aber eine quasi „staatliche“ Institution wie die Sommerakademie Mozarteum nicht leisten, denn es beinhalte geradezu eine Generalverantwortung für jeden Studenten, „wie für Kinder auf einem Sommercamp“.
Einer der indirekt Leidtragenden ist der international, heuer auch an der Sommerakademie Mozarteum tätige Geigenprofessor Kurt Sassmannshaus, der vergangene Woche täglich die österreichische Botschaft in Peking aufsuchte, um seinen chinesischen Studenten zu einem Visum zu verhelfen. Erst nach rund einer Woche gab es Entwarnung. Das Problem habe sich nach Telefonaten zwischen Botschaft und Sommerakademie Mozarteum gelöst, erzählt der Geigenlehrer im Telefonat mit den SN. Auf Botschaftsvorschlag hätten die chinesischen Studenten ein österreichisches Konto eröffnen sollen mit einer Einlage von 500 Euro, letztendlich habe ein Travellerscheck in derselben Höhe genügt.
Das Bizarre an der Situation, dass chinesischen Studenten der Studienaufenthalt in Österreich verweigert wird, wird anschaulicher, wenn man weiß, dass derselbe Geigernachwuchs nicht nur in Peking, sondern auch in Cincinnati bei Sassmannshaus studiert. Nach Amerika – bekanntermaßen heikel mit „Fremden“ – zu reisen ist kein Problem, aber nach Österreich? In die Kulturnation?
Die Forderung nach einem vom Mozarteum unterzeichneten EVE veranlasste den Geigendozenten zur Erkenntnis, dass „eine staatliche Behörde von einer anderen Behörde eine Garantie verlangt, welche die andere Behörde gar nicht leisten könne“. Sassmannshaus sarkastisch: „Ich kann nur sagen: Ich liebe Kafka.“
Auch der Maler Hubert Scheibl, erstmals Dozent an der Sommerakademie für bildende Kunst, staunte über das Verhalten der österreichischen Stellen. Einer seiner Kursteilnehmer, Arab Rezan aus Syrien, studiert in Bukarest. Die dortige österreichische Botschaft habe ebenfalls das EVE verlangt. Amanshauser ist dazu übergegangen, die erforderten „Garantien“ abzugeben, um Studenten den Kurs zu ermöglichen. Dennoch kam Arab Rezan nach bürokratischen Hürden eine Woche zu spät nach Salzburg. Damit verlor er die Hälfte seines Kurses.
Bereits zum fünften Mal in Salzburg ist Ahmad Habash vom Studenten zum Assistenten – heuer in der Videoklasse von Anna Kolik – aufgestiegen. Der Künstler lebt in Ramallah, die österreichische Konsularvertretung schickte seinen Visumantrag und alle Dokumente nach Tel Aviv, wohin der Palästinenser aber nicht reisen darf. Sein „Protokoll“ der kafkaesken Geschichte umfasst mehrere Seiten, deshalb in Kürze: Visumantrag sechs Wochen vor Akademiebeginn, zahlreiche Bemühungen der Sommerakademie, die allein auf einen Termin bei der Salzburger Fremdenpolizei zehn Tage warten musste, Verschickung des EVE nach Tel Aviv, Bestätigungen über Bestätigungen (über Unterkunft, Bankguthaben etc.): Mit sechs Tagen Verspätung konnte Habash nach Österreich einreisen. Happy End?