Linz
- Das jüngste Projekt des Lentos Kunstmuseums Linz stellt eine
Ost-West-Beziehung her befasst sich auch mit "europäischen Werten". Die
Ausstellung "Mesopotamische Erzählungen" des international
erfolgreichen türkischen Künstlers Kutlug Ataman, die im Rahmen von
Linz 2009 Kulturhauptstadt Europas von 13. Februar bis 19. April
gezeigt wird, wurde am Mittwoch in einer Pressekonferenz mit dem
Künstler von Lentos-Direktorin Stella Rollig und Linz09-Intendant
Martin Heller vorgestellt.
Ataman bricht die Fragen nach der
Identität des Einzelnen, von Bevölkerungsgruppen, Nationen oder Völkern
auf einzelne Menschen herunter. Dabei geht es um Traditionen und
Konventionen, Glauben und Überzeugungen, die bei ihrem
Aufeinandertreffen Konflikte auslösen können. Das der Schau in Linz
Namen gebende "Zweistromland" Mesopotamien liegt teilweise im Irak, in
Syrien und in Ostanatolien. Ataman zeigt acht neue Werke, die er
unbedingt gemeinsam gesehen haben will. Sie fokussieren Umbrüche in der
Türkei der vergangenen Jahrzehnte - politische, kulturelle und
ökonomische Veränderungen, Kämpfe zwischen religiöser und säkulärer
Weltanschauung und die Spannung zwischen Osten und Westen, die Ataman
als "akute Krise" definiert. Dabei geht es auch um die Geschichte der
westlichen Moderne und die Frage nach der Berechtigung ihres
universellen Anspruches.
Ikonen und Flatscreens
Beim
Eintritt in die fünf Räume umfassende Schau fällt der erste Blick
gleich auf das Ende der Ausstellung: Ein Foto aus dem frühen 20.
Jahrhundert, das einen damals mächtigen türkischen General mit seinen
Untergebenen zeigt. Fotografie war damals ein neues - westliches -
Medium. Der Bildausschnitt ist hingegen nach den Regeln gewählt, wie
sie vor der Renaissance in Byzanz üblich waren. Der General ist deshalb
im Zentrum des Bildes positioniert. Alle niedrigeren Ränge dahinter
oder sogar vom Bildrand abgeschnitten.
Ataman ist ausgebildeter
Filmemacher, was seine Werke prägt. Im ersten Raum scheinen im "Dome"
türkische männliche Jugendliche in westlicher Kleidung, aber östlicher
Körperhaltung über Flatscreens an der Decke zu schweben - ähnlich der
Kuppel-Gestaltung in den Kathedralen von Rom. Tatsächlich hängen sie an
den Baukränen, die als Symbol für die Modernisierung Anatoliens stehen.
In einer anderen Videoinstallation lesen türkische Mittelschüler
englische Nonsens-Gedichte vor, die selbst für "Native Speaker" eine
Herausforderung darstellen. "The Complete Works of William Shakespeare"
besteht aus 14 Komödien, elf Tragödien und zehn Geschichten, die mit
der Hand direkt auf eine Filmrolle geschrieben sind. Shakespeare hat in
seinen Werken Inhalte aus ganz Europa verarbeitet. Atman will mit
seiner Darstellung die Haltung des östlichen Kulturkreises aufzeigen,
die den Wert eines Buches nicht nur nach seinem Inhalt, sondern auch
nach seiner künstlerischen Ausführung beurteilt.
Kutlug Ataman
ist 1961 in Istanbul geboren worden, wo er auch lebt und arbeitet.
Seine Ausbildung komplettierte er in mehreren Weltstädten. Er wurde für
seine Filme mehrfach ausgezeichnet. 2004 war er in der engeren Auswahl
für den englischen Turner Prize. Im selben Jahr gewann er Amerikas
höchste Kunstauszeichnung, den Carnegie Prize. Seine Arbeiten wurden
auf der Documenta und den Biennalen in Venedig, Sao Paolo, Berlin und
Istanbul sowie der Londoner Tate Triennale gezeigt, ebenso in etlichen
Einzelausstellungen auf allen Kontinenten. Seine Arbeiten sind unter
anderem im MoMA in New York vertreten. (APA)