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05. Dezember 2008
21:00 MEZ

Jeannette, Philip und Grace Handler: "Shimmer in the Moonlight", € 44,00/240 Seiten. Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra 2008.

 

Fotografieren, was nicht zu sehen ist
Der Bildband "Shimmer in the Moonlight" von Jeannette, Philip und Grace Handler - zur Ausstellung in der Wiener Galerie Tony Subal

Berlusconi sagt gerne, etwas sei nur wirklich, wenn es im Fernsehen war. Agnes Husslein zitiert im Vorwort des vorliegenden Bandes Émile Zola, dem zufolge man etwas erst gesehen hat, wenn man es fotografiert hat. Beiden Aussagen liegt ein ebenso optimistisches wie einengendes Verständnis der reproduktiven Techniken zugrunde.

Es stimmt zum Gutteil, dass fotografische und Filmarbeit mit der Abbildung der vorfindbaren Wirklichkeit zu tun hat (so sehr man sich medienphilosophisch darüber hinwegsetzen möchte). Ebenso aber zeigt sich, dass viele "Lichtbildner" dieses vorgebliche Eins-zu-eins-Verhältnis transzendierten.

Standen sie anfangs noch im Bann traditioneller Malerei, machten sie sich später expressive Zugänge zunutze, "malten" mit Licht, kreierten bald eigene Realitäten auf Film oder Papier und etablierten schließlich Fotografie als Kunst sui generis.

In Weiterführung von Zolas Satz wäre also festzustellen, dass auch fotografiert wird, was nicht zu sehen ist. Zumindest nicht so, nicht mit freiem Auge. Die Makrofotografie insbesondere ermöglicht Ein-Blicke in unbekannte Wirklichkeiten.

Extreme Nahaufnahmen zählen zu den Zugängen, die die in Wien lebende Fotografin Jeannette Handler in ihrem neuen Fotoband gewählt hat. Nachdem sie sich in den hochdisziplinierten Genres Porträt und Werbung bereits einen Namen gemacht hatte, ließ Handler sich nun sozusagen gehen und zog alle Register der (digitalen) Bilderstellung und -bearbeitung. Neben Makro-Bildern erstellte sie Kontrastüberhöhungen, Farbverfremdungen, lange Belichtungszeiten, rätselhafte, eben "abstrakte" Details wie Kristallformationen an Fenstern, Flecken im Wasser usw.

Kaum jedoch glaubt man, Shimmer in the Moonlight sei genau das: eine Welt des Ungewissen überrascht die Fotografin mit realistischen Abbildungen von Meeresufern, Wäldern oder Straßenschluchten von Manhattan.

Eine überaus breitgefächerte Arbeit, ergänzt durch kurze Gedichte und Prosa von Jeannettes Sohn Philip und durch ein Gedicht der achtjährigen Enkelin Grace, das dem Buch auch den Titel gab: eine Arbeit von drei Generationen also.

Die Fotos wurden in der Wiener Galerie Tony Subal ausgestellt, die Handler vertritt. Das Buch jetzt zu empfehlen mag auch ein Wink mit dem abstrakten, farbverfremdeten Zaunpfahl sein. (Michael Freund / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6./7./8.12.2008)

 

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