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Kunstberichte

Eine Wandernacht durch die Museen

Illustration
- Das Mozart-Kondukt Begräbnis der 3. Klasse mit Fackelzug bei der

Das Mozart-Kondukt Begräbnis der 3. Klasse mit Fackelzug bei der "Langen Nacht der Museen 2006". (© APA / Helmut Fohringer)

Von WZ Online / APA

Aufzählung Die siebente „Lange Nacht der Museen“ erfreute sich vieler Teilnehmer.

Selbst leichter Nieselregen und zunehmend kühle Temperaturen konnten den Massen, die sich am Samstagabend einem Stadtwandertag gleich durch die Wiener Innenstadt schoben, keinen Einhalt gebieten. Schließlich wollte die Gunst der Stunde genutzt sein. Denn für die Teilnahme an der siebenten „Langen Nacht der Museen“ brauchten die Besucher nur ein einziges Ticket, das ihnen zwischen 18 und 1 Uhr Zutritt zu insgesamt 83 nachtaktiven Institutionen der Stadt verschaffte.

So mancher allerdings musste sich am Beginn seiner individuellen Kultursafari mit lästigen Startschwierigkeiten herumschlagen. Einigen Touristen verschaffte die kleine Übersichtskarte der Infobroschüre weniger Orientierung als Ratlosigkeit. Eine betagte Dame hingegen hatte Verständnisschwierigkeiten bei sachdienlichen Hinweisen zum eigens eingerichteten Shuttleservice. Die höfliche Aufforderung, den genauen Verlauf der Busrouten doch bitte dem Booklet zu entnehmen, quittierte sie mit einem erbosten „'Pocklet' - wos is des?“ In den Bussen selbst, die vom blau-gelb ausgeleuchteten „Treffpunkt Museum“ am Heldenplatz sämtliche Veranstaltungsorten anfuhren, war solidarisches Bauch-Einziehen gefragt, damit auch noch die letzten Fahrgäste in den maßlos überfüllten Wageninneren Platz fanden.

Angesichts des breiten Angebots herrschte akuter Zeitmangel. Eine gestresste Mutter fürchtete: „Wir kommen no z'spät zum Begräbnis!“ Dieses eigens angesetzte „Mozart-Kondukt-Begräbnis“ samt Pferdekutsche, Fackelträgern und Blasmusikgeleit lockte zahlreiche Schaulustige in den Innenhof des Bestattungsmuseums, entpuppte sich zur allgemeinen Enttäuschung jedoch als minimalistische Fünf-Minuten-Darbietung. Für umso bessere Laune sorgte hingegen die Möglichkeit zum Probeliegen in Särgen. Zogen einige Tester plötzlich doch betretene Gesichter, fühlten sich andere geradezu pudelwohl auf der kuschelweichen Polsterung des Holzpyjamas. Als Andenken gab es ein Polaroid. Versorgt wurde man mit Apfelsaft und Salzgebäck - „Leichenschmaus light“.

Großer Andrang vor allem bei den großen Häusern. Ins Leopold-Museum beispielsweise wurden die Anstehenden wegen begrenzter Besucherkapazitäten nur schubweise eingelassen. Wer im Freien ausharrte, wurde von einem Selbstdarsteller mittels Plakat zu „Mehr Sex in der Warteschlange“ aufgefordert. Das Publikum akklamierte den Aufruf zwar, verzichtete allerdings darauf, ihm Folge zu leisten. Da war man im Naturhistorischen Museum schon näher am Thema: Bei einer humorigen Spezialführung „Was sie schon immer über Sex wissen wollten“ erfuhr man Wissenswertes wie Skurriles über das Paarungsverhalten diverser Lebewesen, angefangen von Korallen bis hin zu Raubkatzen. Und schnell war klar: Den Tieren ist nichts Menschliches fremd. Wer hätte gedacht, dass Weinbergschnecken eine Form von Petting kennen und ihre Partner mit Liebespfeilen betören, Schlangen dem Gruppensex durchaus zugetan sind, einige Meeresbewohner hin und wieder onanieren und weibliche Pinguine sich gar prostituieren? Die überhitzten Ausstellungsräume waren der Thematik denn auch adäquat.

Das Bedürfnis nach Abkühlung konnte man zum Anlass nehmen, in die Herrengasse zu spazieren, um einen Sprung im Esperanto-Museum vorbeizuschauen. Dort konnten nicht nur zahlreiche Bücher, Plakate und andere Drucksorten in der und über die berühmte Weltsprache bestaunt werden, es gab auch Einführungen in andere, teils sehr amüsante Kunstidiome. An einer Audiostation konnte man etwa lauschen, wie sich Hamlets „To be or not to be“ auf Klingonisch anhört.

Freunde des gezeichneten Witzes kamen im quartier21 im Museumsquartier auf ihre Kosten. Dort gab es eine breite Palette an Bildgeschichten zu bewundern. Einschlägige Postillen gaben zudem einen Überblick über die Comic-Kultur hier zu Lande und in der Schweiz, der ein eigener Ausstellungsschwerpunkt gewidmet war. Im musikbespielten Lounge-Bereich konnte sich das überwiegend junge Publikum an kühlem Bier laben. Von den angekündigten Zeichnern war nach Mitternacht niemand mehr anzutreffen.
Um 1 Uhr früh endete der Kulturevent schließlich. Wer noch immer nicht genug hatte, verzog sich in die wärmenden Räumlichkeiten des Cafe Leopold, begutachtete die Fotoarbeiten von Julia Dorninger und nahm sich bei gepflegter Plattenauflegerei den verdienten Schlummertrunk zur Brust.

Sonntag, 08. Oktober 2006


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