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Die siebente „Lange Nacht der Museen“ erfreute sich vieler Teilnehmer.
Selbst
leichter Nieselregen und zunehmend kühle Temperaturen konnten den
Massen, die sich am Samstagabend einem Stadtwandertag gleich durch die
Wiener Innenstadt schoben, keinen Einhalt gebieten. Schließlich wollte
die Gunst der Stunde genutzt sein. Denn für die Teilnahme an der
siebenten „Langen Nacht der Museen“ brauchten die Besucher nur ein
einziges Ticket, das ihnen zwischen 18 und 1 Uhr Zutritt zu insgesamt
83 nachtaktiven Institutionen der Stadt verschaffte.
So mancher allerdings musste sich am
Beginn seiner individuellen Kultursafari mit lästigen
Startschwierigkeiten herumschlagen. Einigen Touristen verschaffte die
kleine Übersichtskarte der Infobroschüre weniger Orientierung als
Ratlosigkeit. Eine betagte Dame hingegen hatte
Verständnisschwierigkeiten bei sachdienlichen Hinweisen zum eigens
eingerichteten Shuttleservice. Die höfliche Aufforderung, den genauen
Verlauf der Busrouten doch bitte dem Booklet zu entnehmen, quittierte
sie mit einem erbosten „'Pocklet' - wos is des?“ In den Bussen selbst,
die vom blau-gelb ausgeleuchteten „Treffpunkt Museum“ am Heldenplatz
sämtliche Veranstaltungsorten anfuhren, war solidarisches
Bauch-Einziehen gefragt, damit auch noch die letzten Fahrgäste in den
maßlos überfüllten Wageninneren Platz fanden.
Angesichts des breiten Angebots herrschte akuter Zeitmangel. Eine
gestresste Mutter fürchtete: „Wir kommen no z'spät zum Begräbnis!“
Dieses eigens angesetzte „Mozart-Kondukt-Begräbnis“ samt Pferdekutsche,
Fackelträgern und Blasmusikgeleit lockte zahlreiche Schaulustige in den
Innenhof des Bestattungsmuseums, entpuppte sich zur allgemeinen
Enttäuschung jedoch als minimalistische Fünf-Minuten-Darbietung. Für
umso bessere Laune sorgte hingegen die Möglichkeit zum Probeliegen in
Särgen. Zogen einige Tester plötzlich doch betretene Gesichter, fühlten
sich andere geradezu pudelwohl auf der kuschelweichen Polsterung des
Holzpyjamas. Als Andenken gab es ein Polaroid. Versorgt wurde man mit
Apfelsaft und Salzgebäck - „Leichenschmaus light“.
Großer Andrang vor allem bei den großen Häusern. Ins Leopold-Museum
beispielsweise wurden die Anstehenden wegen begrenzter
Besucherkapazitäten nur schubweise eingelassen. Wer im Freien
ausharrte, wurde von einem Selbstdarsteller mittels Plakat zu „Mehr Sex
in der Warteschlange“ aufgefordert. Das Publikum akklamierte den Aufruf
zwar, verzichtete allerdings darauf, ihm Folge zu leisten. Da war man
im Naturhistorischen Museum schon näher am Thema: Bei einer humorigen
Spezialführung „Was sie schon immer über Sex wissen wollten“ erfuhr man
Wissenswertes wie Skurriles über das Paarungsverhalten diverser
Lebewesen, angefangen von Korallen bis hin zu Raubkatzen. Und schnell
war klar: Den Tieren ist nichts Menschliches fremd. Wer hätte gedacht,
dass Weinbergschnecken eine Form von Petting kennen und ihre Partner
mit Liebespfeilen betören, Schlangen dem Gruppensex durchaus zugetan
sind, einige Meeresbewohner hin und wieder onanieren und weibliche
Pinguine sich gar prostituieren? Die überhitzten Ausstellungsräume
waren der Thematik denn auch adäquat.
Das Bedürfnis nach Abkühlung konnte man zum Anlass nehmen, in die
Herrengasse zu spazieren, um einen Sprung im Esperanto-Museum
vorbeizuschauen. Dort konnten nicht nur zahlreiche Bücher, Plakate und
andere Drucksorten in der und über die berühmte Weltsprache bestaunt
werden, es gab auch Einführungen in andere, teils sehr amüsante
Kunstidiome. An einer Audiostation konnte man etwa lauschen, wie sich
Hamlets „To be or not to be“ auf Klingonisch anhört.
Freunde des gezeichneten Witzes kamen im quartier21 im
Museumsquartier auf ihre Kosten. Dort gab es eine breite Palette an
Bildgeschichten zu bewundern. Einschlägige Postillen gaben zudem einen
Überblick über die Comic-Kultur hier zu Lande und in der Schweiz, der
ein eigener Ausstellungsschwerpunkt gewidmet war. Im musikbespielten
Lounge-Bereich konnte sich das überwiegend junge Publikum an kühlem
Bier laben. Von den angekündigten Zeichnern war nach Mitternacht
niemand mehr anzutreffen.
Um 1 Uhr früh endete der Kulturevent schließlich. Wer noch immer
nicht genug hatte, verzog sich in die wärmenden Räumlichkeiten des Cafe
Leopold, begutachtete die Fotoarbeiten von Julia Dorninger und nahm
sich bei gepflegter Plattenauflegerei den verdienten Schlummertrunk zur
Brust.
Sonntag, 08. Oktober 2006