Kunst als Waffe im Kalten Krieg

Zur Mythenbildung Jackson Pollocks und der Beginn einer amerikanischen Kunstgeschichte.
Von Susanne Rohringer.


"Meine Malerei kommt nicht von der Staffelei her. Selten spanne ich die Leinwand vor dem Malen auf. Ich befestige sie lieber an der harten Wand oder am Boden. Ich brauche den Widerstand der harten Oberfläche. Auf dem Boden fühle ich mich wohler. Ich fühle mich dem Bild näher, mehr als ein Teil von ihm, denn so kann ich mich um das Bild herum bewegen, von allen vier Seiten her arbeiten und buchstäblich im Bild sein." (Harold Rosenberg, Robert Motherwell (Hrg), Possibilities: Winter 1947.S 49)

Die Künstlerpersönlichkeit

Jackson Pollock, gefeierter und widersprüchlichster amerikanischer Maler des 20. Jahrhunderts, gilt als provozierender Protagonist und Leitfigur des abstrakten Expressionismus. Er ist gleichsam der Inbegriff eines alle gängigen Codes zertrümmernde Formensprache und eines einfachen bildnerischen Verfahrens, für das der Kritiker Harold Rosenberg den Begriff des "All Over" prägte.

Künstlerische Wurzeln

Durch das Gestische und Aktionistische seines Handelns eröffnete er ungeahnte künstlerische Freiheiten. Er radikalisierte die Bildkonzeption des Kubismus, ohne jedoch mit dem europäischen Bildverständnis zu brechen. In seinen Werken ist der Einfluss von Matisse, Mondrian, die abstrakte Kunst Kandinskys, sowie Max Ernst und Joan Miro zu erkennen. Er beschäftigte sich mit der Kunst der Navajo-Indianer und war mit dem Automatismus der Surrealisten vertraut. Er unterzog sich einer mehrjährigen Jungschen Psychoanalyse und beschäftigte sich mit Freuds Schriften. Er verstand sich immer als Amerikaner, beanspruchte aber eine internationale Gültigkeit für seine Kunst.

Zeitgenössische Rezeption

Von dem immer mächtiger werdenden Kritiker Clement Greenberg gepuscht, der den abstrakten Expressionismus als die Geburtstunde der amerikanischen Malerei feierte, stieg Pollocks Bekanntheitsgrad immer weiter an. Wie zahlreiche Karikaturen in der New York Times oder im britischen Punsh zeigten, thematisierten die Medien vornehmlich den gestischen Malakt Pollocks. Der kam breiten Teilen der Öffentlichkeit als Scharlatanerie vor. Hans Namuth dokumentierte Pollocks Arbeitsweise mit der Kamera und folgte den Bewegungen des Künstlers mit harten Schnitten und waghalsigen Kameraschwenks, die das Klischee eines wütenden Kunstberserkers unterstrichen.

Die Kunstmacher

Auch geriet Pollock in die Kritikerfehde zwischen Rosenberg und Greenberg. Rosenberg lobte die Farbfelder Barnett Newmans als formvollendete Abstraktion. Kritiker und öffentliche Meinung thematisierten vermehrt Pollocks Arbeitsweise und widmeten sich weniger seinen Werken. Seine männliche Selbststilisierung und seine Alkoholprobleme taten das Übrige zur Ausbildung des Klischees vom einsamen, gewalttätigen Künstler.

Cowboy ohne Pferd und Gewehr

Im August 1949 wurde Pollock von der Zeitschrift "Life" vor seinem Bild "Summertime: Number 9A" in schwarzem Gewand mit Zigarette im Mundwinkel lässig vor dem Bild lehnend abgebildet. Diese Inszenierung mit dem Flair der neuen proletarischen Kinohelden James Dean und Marlon Brando ausgestattet, war geeignet, Pollock zum künstlerischen amerikanischen Cowboy ohne Gewehr und Pferd zu stilisieren. Pollock, der immer wieder die ärmlichen Verhältnisse seiner Familie thematisierte, wurde so zur Projektionsfläche eines amerikanischen Selbstverständnisses. Er verkörperte nicht nur eine Person, die den beruflichen Aufstieg geschafft hat, sondern auch den Mythos des freien Westens am Beginn des Kalten Krieges.

Kunst und Kalter Krieg

Greenbergs Theorie eines "american type painting", die patriotisch nur in dem Sinne war, als sie einen originären Beitrag zur Moderne lieferte, betonte damit die Gleichberechtigung mit der europäischen Kunst. 200 Jahre lang war Paris das Zentrum der Kunstwelt gewesen, das in den 20er und 30er Jahren noch eine letzte große Blüte der modernen Kunst erlebte.

Nun begann sich das Nachkriegsamerika, die aufsteigende Supermacht, mit Hilfe des abstrakten Expressionismus' von den europäischen Traditionen zu lösen. Greenberg gab dem abstrakten Expressionismus eine solide qualitative Theorie, die den Kunstströmungen am Konintent in nichts nachstand. Dieses neu gewonnene Terrain bot ein willkommenes Fundament für die politische Vereinnahmung des Abstrakten Expressionismus für den Kalten Krieg.

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