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An vorderster Front exponierte
sich der ‹Exil-Österreicher› Robert Fleck, der dazu aufrief, künftig keine
Ausstellungen mehr in Österreich zu kuratieren. Ein Aufruf, der vor allem
im Internet eine kontroverse Diskussion anstiftete: Soll die Kunst gerade
dann ihren Schwanz einziehen, wenn ihre kritische und
öffentlichkeitsstiftende Kraft gefragt ist?!
Eine Frage, die der
Brite Liam Gillick mit einer Grafik beantwortete, auf der
unmissverständlich geschrieben stand: ‹Fuck the new austrian government›,
2000. Die Aggressivität der Aussage wurde durch die stilvolle Typografie
des Blattes nur wenig gedämpft. Nichts also blieb angesichts der
eindeutigen politischen Situation von der diskursiven Offenheit übrig, die
etwa Gillicks ‹Discussion Islands› sonst im Ausstellungskontext
herstellen. Eine klare Haltung ist jetzt gefragt.
Die junge
Frankfurterin Silke Wagner antwortete auf den Rechtsruck nicht nur in
Österreich – in der BRD proklamierte beispielsweise der ehemalige
Zukunftsminister angesichts der Einführung einer Greencard in bester
Haiderschen Rhetorik: ‹Kinder statt Inder› – mit einer einprägsam
politisch codierten Oberfläche. Für eine Ausstellung in der New Yorker
Galerie Klemens Gasser & Tanja Grunert steuerte sie ein rot-weisses
T-Shirt bei, auf dem diverse Internetadressen antifaschistischer
Aktivisten zu lesen waren: www.antif.net/ www.gegenschwarzblau.net/
www.annefrank.nl .... Das T-Shirt fungiert nicht mehr als lustvoll
besetztes Crossover- und Pop-Art-Versatzstück, sondern als offensichtliche
Solidaritätsbekundung und politische Aufklärung zugleich.
Von
engagiertem Protest, vielsagendem Schweigen – die No.69 der Zeitschrift
‹camera austria› erschien ganz in schwarzen Seiten – bis zu hektischer
Politisierung als Selbstdarstellung reicht derzeit (so jedenfalls stellt
es sich mir Norddeutschem nach zahlreichen Gesprächen, E-mails,
Zeitungsberichten und einem mehrtägigen Österreichbesuch dar) das Spektrum
der Befindlichkeit in Österreich selber. Bereits im Frühjahr 1995 aber
formulierte Peter Friedl in rot-weiss-roter Neonschrift auf dem
Europaplatz in Wien ‹Kill and Go›. Friedl spielte damit vor allem auf den
rassistisch motivierten Mord von vier Roma 1994 im österreichischen
Oberwart an. Statt moralisch zu beklagen, klagt Friedl durch die
Offenlegung rassistischer Strategien an: Töten und Vertreiben! Der
drastischen, scheinbaren Aufforderung gelingt es so, der vom Soziologen
Dirk Baecker aufgezeigten Falle zu entgehen: ‹Jede Warnung vor dem
Faschismus ist für andere eine Einladung.›1
Der Gefahr der
Unterscheidung, ‹die Beobachter auf die andere Seite der Unterscheidung
neugierig zu machen›2, entkommt auch der in New York lebende Pole Piotr
Uklanski mit seiner Fotoarbeit ‹Die Nazis›, 1998. Auf über 160 Filmfotos
zeigt er jetzt in den Berliner Kunst Werken Schauspieler, die
Nazicharaktere spielen und dabei sämtlichen Rollenklischees Hollywoods
gerecht werden wie immer. Keine unterscheidende Kritik wird vorgetragen,
sondern auratischer Glamour als Lifestyle jenseits ideologischer
Differenzen. Das macht Sinn: Auch der von Jörg Haider heute zelebrierte
Lifestyle – ein nicht unwichtiger Grund seines ‹Erfolges›! – unterscheidet
sich kaum von dem anderer medienbewusster Politiker. Immerhin hat sich die
Firma Reebock, nachdem sie ihm zunächst ein PR-Video finanzierte,
inzwischen öffentlich von ihrem ‹Werbeträger› Haider distanziert.
1
Dirk Baecker, Poker im Osten, Berlin 1998, S.16 2 Auch Peter Pommerer,
der als Zeichner und Wahl-Österreicher auf den abendlichen Demonstrationen
ein Transparent mit dem Text ‹auch Sissi würde weinen› durch Wien trug,
formulierte bewusst ein ‹auch›, keine unterscheidende, sondern eine
einschliessende Konjunktion also.
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