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14.04.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
Maria Lassnig: Nackt vor der Leinwand
Ute Baumhackl
Die Beobachtung des „Körpergefühls“ mit den Mitteln der Malerei ist das künstlerische Lebensthema von Maria Lassnig. Die Sammlung Essl widmet der Künstlerin nun eine Personale mit älteren und aktuellen Werken.

Es ist sicher, ich male und zeichne nicht den ,Gegenstand’ Körper“, hat Maria Lassnig einmal gesagt, „ sondern ich male Empfindungen vom Körper.“

1948 entstand ihre erste „Körperbewusstseinszeichnung“; seither hat die Künstlerin, Mitbegründerin und eine der wichtigsten Vertreterinnen der informellen Malerei, in zahllosen Porträts und vor allem Selbstporträts diese „Empfindungen vom Körper“ erforscht. Der menschliche Leib ist dabei Angelpunkt für die Ausleuchtung der Psyche; Lassnig bildet Körpergefühl ab, was sie beobachtet und zeigt, bezieht sich auf das eigene Innere; und dennoch wäre es, wie Oswald Wiener in seinem Text „Für Maria“ anmerkt, „grundfalsch, in der Beschäftigung mit solchen Phänomenen ein übersteigertes Interesse am Ich zu sehen; es geht vielmehr um die Erforschung von Vorgängen, die dem menschlichen Denken allgemein zu Grunde liegen.“

Ohne Absicht.

Lassnig beschreibt ihre Arbeitsweise so: „Ich trete gleichsam nackt vor die Leinwand, ohne Absicht, ohne Planung, ohne Modell, ohne Fotografie, und lasse entstehen. Doch habe ich einen Ausgangspunkt, der aus der Erkenntnis entstand, dass das einzig wirklich Reale meine Gefühle sind, die sich innerhalb des Körpergehäuses abspielen: physiologischer Natur, Druckgefühl beim Sitzen und Liegen, Spannungs- und räumliche Ausdehnungsgefühle – ziemlich schwierig darstellbare Dinge.“

Körpererfahrung, die Auslotung der Physis, ein Thema der österreichischen Malerei von Gerstl bis Brus und Zobernig, ist das beherrschende Thema ihrer Malerei geblieben. Sechs Jahre nach ihrer letzten großen Personale im 20er Haus zeigt nun die Sammlung Essl Werke aus eigenen Beständen. 55 Ölbilder und der 32-teilige Aquarellzyklus „Landleute“ sowie eine Skulpturenserie, die Lassnig in den 70er-Jahren in New York begonnen hat, sind dabei zu sehen, ergänzend werden einige ihrer Filme gezeigt, die sie  als Texterin, Darstellerin,Sängerin und Animationszeichnerin („Maria Lassnig Kantate“) präsentieren. Körperbilder und „Science Fiction“-Arbeiten, in denen die Malerin Menschen mit Automaten, Maschinen, Tieren verschmilzt, bilden den Schwerpunkt.

Der Untertitel der Schau, „body.fiction.nature“ verweist auf das Lebensthema der „documenta VII“-Teilnehmerin, der 1980 als erster Frau im deutschsprachigen Raum eine Professur für Malerei an der Angewandten inWien übertragen wurde. Bis 1997 hatte sie den Lehrstuhl inne, seither widmet sich Lassnig, die imVorjahr 85 Jahre alt wurde, wieder rein der Malerei:In ihren jüngs­ten Bildern bleibt viel Leinwand weiß. Unbeantwortet bleibt ihre Frage: „Wie viel Vivisektion verträgt eine Kunst, so viel wie eine Liebe?“

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