Pinkeln ins Kaminfeuer

Von Arnold Schnötzinger.


Wochenlang konnte Jackson Pollock (Ed Harris) deprimiert vor einer weißen Leinwand sitzen, doch ab dem ersten Pinselstrich war er nicht mehr zu halten. Der Mensch Pollock war oft deprimiert, doch die filmische Bilanz über den Künstler Pollock sollte keinesfalls deprimierend ausfallen.

Jackson Pollock (Ed Harris)
Jackson Pollock (Ed Harris)

Entlang künstlerischer, aber auch privater Widersprüche hat der amerikanische Schauspieler Ed Harris ("Truman Show", "A Beautiful Mind") seinen ersten Spielfilm über den Begründer des so genannten Action-Paintings gedreht. Harris zeichnet Pollocks Entwicklung als Maler nach, die untrennbar durch seine persönlichen Lebenskrisen, am deutlichsten durch seine Alkoholsucht geprägt wurde.

Überlegtere Rollenwahl

Begonnen hat das Filmprojekt für Ed Harris im Jahr 1986, als ihm sein Vater eine Biografie des Künstlers zum Geburtstag schenkte. Mehr als ein Jahrzehnt dauerte die Entwicklung des Drehbuchs und die Finanzierung. 1990 sei er 40 Jahre alt geworden, so Ed Harris, und an einem Wendepunkte in seiner Schauspielkarriere gestanden und wollte mehr Verantwortung in seiner Rollenwahl zeigen.

Würdigung Krasners

Pollock (Ed Harris) und seine Ehefrau Lee Krasner (Marcia Gay Harden)
Pollock (Ed Harris) und seine Ehefrau Lee Krasner (Marcia Gay Harden)

Als erzählerische Leitfäden wählt Harris einerseits die Chronologie der Ereignisse, andererseits die Entwicklung der Beziehung zwischen Pollock und seiner Frau Lee Krasner, deren Rolle Harris ausführlich würdigt. Sie wird zur treibenden Kraft hinter Pollocks Karriere, leidet aber bis zum endgültigen Zerwürfnis an der - alkoholbedingten - Unbeständigkeit des Genies. Marcia Gay Harden wurde in der Rolle von Pollocks Frau mit einem Oscar als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet.

Beleidigte Guggenheim

Zudem bekommt der Zuseher Nachhilfe in Pollocks typischen Maltechniken des Tropfens und Spritzens. Mancher Seitenblick gilt aber auch den Eitelkeiten des New Yorker Kunstbetriebs: Da entrüstet sich eine schimpfende Peggy Guggenheim über Pollocks Unpünktlichkeit, bei einer Party hält Pollock den snobistischen Salonmanieren der Kunstszene seine Sicht der Dinge vor und pinkelt ins offene Kaminfeuer.

Dass Pollock für viele als der erste Star eines modernen amerikanischen Kunst-Betriebs gilt, findet auch bei Ed Harris Bestätigung: Er schenkt den medialen Einflüssen an der Karriere des 1956 tödlich verunglückten Künstlers besonderes Augenmerk.

Opferrolle vermieden

In der filmischen Umsetzung bleibt Ed Harris über weite Strecken konventionell, liefert zur Information auch die Unterhaltung. Harris nimmt aber dem Menschen Pollock nicht die Verantwortung für sein schwieriges Leben ab, vermeidet also die Opferperspektive, in die man sich im Kunstbetrieb nur allzu leicht selbst drängt. Damit beugt der Film auch einer Legendenbildung vor.

Pollock
USA, 2000
mit: Ed Harris, Marcia Gay Harden, Amy Madigan, Jeffrey Tambor, Val Kilmer
Drehbuch: Steven Naifeh, Gregory White Smith
Regie: Ed Harris

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