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Vom passiven Konsumenten zum aktiven Nutzer

Das Angebot im Ars Electronica Center geht weit über den Ausstellungsbesuch hinaus. Das Museum der Zukunft ist auch Bildungseinrichtung für neue Medien und Technologien.

VON SILVIA NAGL

OÖN: Wo liegt der Schwerpunkt in der so genannten Bildungsarbeit im AEC?

STOCKER: Wir wollen im AEC die Besucher in die Situation versetzen, dass sie selbst eine aktive Rolle einnehmen können: vom passiven Konsumenten zum aktiven Nutzer und Gestalter. Das ist der entscheidende Punkt. Es ist ja beispielsweise viel lustiger, ein Computerspiel selbst zu entwickeln als es nur zu konsumieren.

BLACHER: Wir versuchen, unseren Besuchern einen spielerischen, kreativen Zugang zu den Technologien zu ermöglichen. Denn dadurch wird man neugierig, sich mit den Problemen, die dahinter stehen, näher zu beschäftigen. Egal, ob bei einer normalen Führung oder bei einem Workshop-Angebot, wird versucht, je nach Interessen und Altersgruppen passende Hintergrundinfos anzubieten.

OÖN: Die meisten Besucher im AEC sind ja im Schulalter. Wie schauen dabei die Erfahrungswerte aus: Sind die Schulen, was das technische Equipment betrifft, weit hinten?

BLACHER: Das ist sehr unterschiedlich. Manche haben perfekt eingerichtete Informatik-Räume, manche nicht. Und auch die Herangehensweisen sind sehr unterschiedlich: Manche bauen den Computer auch in andere Unterrichtsstunden intensiv ein, andere lehren nur im Frontalunterricht. Wichtig aber erscheint mir, dass Schüler vor allem lernen, wie sie selbst an Informationen kommen.

STOCKER: Mit Internet und PCs sind die Schulen recht gut eingedeckt. Aber es ist beispielsweise unmöglich für Schulen, einen Cave einzurichten. Das kann nur eine Institution wie das AEC anbieten. Oder auch unsere Robotik-Kurse mit den aufwändigen Bausätzen sind für Schulen nicht leistbar.

OÖN: Was passiert in diesen Robotik-Kursen?

STOCKER: Da werden Roboter gebaut, die auf Geräusche oder Licht reagieren. Und das ist genau der wichtige Punkt: Das AEC will und kann ein ergänzendes Angebot zu den technischen Möglichkeiten in den Schulen geben.

OÖN: Gibt es einen merkbaren Unterschied im Umgang mit dem Computer zwischen den Schülern und den Lehrern?

BLACHER: Natürlich gibt es dabei einen Generationsunterschied. Verschiedene Generationen haben einen komplett anderen Zugang zum Computer. Wie aber können wir voneinander lernen? Lehrer können sehr schnell Wissensvermittlung bündeln. Und Schüler kennen keine Schwellenängste bei technischen Geräten. Das bedeutet für Lehrer sicher auch eine neue Rolle. Hier im AEC übernehmen Lehrer eher eine Moderatorenrolle, unterstützen die Schüler in ihrer aktiven Wissensaneignung.

OÖN: Gibt es einen Unterschied zwischen Burschen und Mädchen beim Umgang mit neuen Technologien?

BLACHER: Bei Führungen merken wir überhaupt keine Unterscheide mehr. Mädchen probieren genau so gerne und neugierig wie wie Burschen die Installationen aus. Bei den Robotic-Kursen aber gibt es nach wie vor einen Burschen-Schwerpunkt.

OÖN: Im AEC gibt es seit kurzem das Angebot für "PowerGirls". Was wird dabei geboten?

BLACHER: Das ist ein spezifisches Angebot für Mädche, um Horizonte für neue Berufsbilder zu eröffnen. Die Mädchen sind einen ganzen Tag bei uns im AEC. Ein halber Tag ist einem Workshop gewidmet, bei dem erarbeitet wird, wie sie sich als Mädchen in einem technischen Berufsfeld sehen würden.

OÖN: Ist Lernen ohne Computer überhaupt noch vorstellbar?

STOCKER: Nein, das ist nicht vorstellbar. Natürlich lernt man viel von einem guten Lehrer, der einen motivieren kann. Und man lernt natürlich durch Erfahrung. Doch jeder von uns ist in jedem Lebensbereich konfrontiert mit dem Computer. Jeder braucht ein gewisses Maß an Technikkompetenz für den Alltag.

Aber auch die notwendige Sozialkompetenz. Denn es ist nicht nur der ein guter Mitarbeiter, der gut mit dem Computer umgehen kann. Sondern derjenige, der auch über die notwendige Sozialkompetenz verfügt, und den gesellschaftlichen, den kulturellen Einsatz von Computern hinterfragen kann.

BLACHER: E-Learning war eine Zeit lang das absolute Must. Jetzt geht man dazu über, das Gesamte zu sehen. Denn der Mensch braucht die Gruppendynamik, das Miteinander.

ZUR PERSON

Nicoletta Blacher

1965 in Fohnsdorf/Stmk. geboren, studierte Theaterwissenschaft, Psychologie, Philosophie, Germanistik in Wien. Arbeitete im österreichischen Kulturservice (ÖKS), als Kulturmanagerin bei Kunstproduktionen (u.a. "Museumsinselfestival", "transportale ") in Berlin, seit 2005 AEC-Museumsleiterin.

ZUR PERSON

Gerfried Stocker

1964 in Judenburg geboren, begründete 1991 das x-space Team für die Umsetzung von interdiziplinären Projekten, arbeitete an Radio-Netzwerk-Projekten. Seit 1995 Geschäftsführer des AEC, seit 1996 mit Christine Schöpf künstlerische Leitung des Festivals Ars Electronica.


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