Nach bitterem Streit um die finstere
Vergangenheit der Heidelberger Psychiatrie während der Nazi-Zeit erhält
eine der ungewöhnlichsten Kunstsammlungen der Welt ein eigenes Museum. Das
"Museum Prinzhorn-Sammlung" in Heidelberg wird am 13. September neue
Heimstatt für 5.000 Kunstwerke von Psychiatrie-Patienten aus den Jahren
1880 bis 1933 - von denen naturgemäß nur ein kleiner Teil ausgestellt
werden kann.
Starke Worte
In der Kunstszene berühmt, inspirierten die Werke unter anderem Pablo
Picasso und Paul Klee. Doch eine Berliner Initiative spricht der
Heidelberger Psychiatrie wegen ihrer wichtigen Rolle im
Euthanasie-Programm der Nazis das moralische Recht an den Werken ab: Das
Museum sei "Beutekunst im Hörsaal der Mörder". Die Initiative beansprucht
die Werke für ein geplantes Euthanasie-Museum in Berlin.
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Fritz Fent: Himmelfahrtstraum, 1910 (Zum
Vergrößern anklicken) |
Der größte Teil
der Werke wurde in den Jahren 1919 bis 1922 von dem damals in Heidelberg
tätigen Arzt und Kunsthistoriker Hans Prinzhorn (1886-1933) gesammelt.
Prinzhorns 1922 unter dem Titel "Bildnerei der Geisteskranken"
erschienenes Buch sei eine Art "Bibel für Avantgardisten und
Expressionisten" gewesen, sagt Monika Jagfeld, Kunsthistorikern und
Sprecherin des Museums.
Naive Sicht auf die Künstler
Viele Künstler sahen in den Werken der Anstaltsinsassen den Schlüssel
zu natürlicher Gestaltung - unverfälscht durch Gesellschaft, Zivilisation
und Erziehung, weil die Psychiatriepatienten sich mittels ihrer Krankheit
vermeintlich gesellschaftlichen Zwängen entzogen hatten. In den
vergangenen Jahren wurde ein Teil der Sammlung unter dem Titel
"Wahnsinnige Schönheit" in New York und anderen Metropolen erfolgreich
ausgestellt.
Verbindung zum NS-Euthanasieprogramm
Der Berliner "Freundeskreis Haus des Eigensinns" jedoch sieht weniger
die kunsthistorische als die politische Bedeutung der Sammlung. Prinzhorn
selbst sei ein "Nazi und Antisemit" gewesen, sagt Sprecher Ren Talbot. Der
Freundeskreis verweist auch darauf, dass die Heidelberger Psychiatrie in
den 1930er Jahren von Carl Schneider geleitet wurde, einem der
Hauptinitiatoren des Euthanasie-Programms, bei dem 1940 und 1941 rund
70.000 überwiegend psychisch kranke Menschen ermordet wurden. "Die
Universität hat die Bilder bösgläubig erworben, die Künstler wurden
teilweise ermordet, und jetzt will man mit den Bildern der Opfer
Dekoration betreiben", sagt Talbot.
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Else Blankenhorn: Nonante Dubionen, vor
1920 |
Uni Heidelberg entgegnet
In Heidelberg löst diese Sicht der Dinge Empörung aus. "Wir lehnen das
vehement ab", sagt Universitätssprecher Michael Schwarz. "Es gibt keine
Verbindung zwischen Prinzhorn und Euthanasie." Denn Prinzhorn starb 1933 -
lange vor dem Start des Euthanasieprogramms. Anders als die Nazis habe
Prinzhorn den künstlerischen Wert der Bilder erkannt und sie nicht als
kranke Erzeugnisse kranker Hirne diffamiert, wie die Nazis dies in der
berüchtigten Ausstellung "Entartete Kunst" versuchten.
Unbestritten ist, dass Prinzhorn vor seinem Tod im Jahre 1933
Lobeshymnen auf die Nazis verfasste. "Es ist aber völlig falsch, die
Sammlung auf die Nazizeit und Euthanasie zu reduzieren", sagt Jagfeld.
"Deswegen haben die Werke auch nichts in einer Euthanasie-Gedenkstätte
verloren."
Die Universität hofft, dass die Auseinandersetzung mit der Eröffnung
des Museums sein Ende findet. Ungeachtet des bitteren Streits soll das
Museum nicht nur Museum sein, sondern Ort der Kontemplation.
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