Quer durch Galerien
Zitronen schmecken gelb
Von Claudia Aigner
Ja, auch Jaber wurde geboren. Noch dazu in der Nähe von
Babylon, an einem Nebenfluss eines Nebenflusses des Euphrat (im neuerdings
befreitesten Land der Welt also). Aber er kam auf die denkbar
unbürokratischste Art und Weise zur Welt. Nämlich ohne Geburtsdatum. Jahre
später erinnerte sich sein Vater freilich trotzdem an seine Geburt. Die
war "im Jahr, in dem wir keinen Zucker hatten". Diese nicht sehr
gregorianische Angabe konnte den Beamten von der Volkszählung, der die
Personalien aufnahm, jedoch nicht erschüttern, obwohl der vermutlich nicht
einmal ein Zahnarzt war. Und er kam auf 1948, das denkwürdige Jahr, in dem
in der Gegend quasi weniger Karies als sonst produziert worden ist.
Jaber (ein wahrer Meister der theatralischen Farbauftritte und bis 2.
Mai bei M-Art, Börseplatz 3) ist mittlerweile aber schon seit gut 30
Jahren in Italien. Natürlich. Man erkennt ja auf den ersten Blick, dass er
es aus eigener Anschauung kennt, das Land, wo die Zitronen blühen - und wo
sie irgendwann auch knackig an den Zweigen hängen und eine besonders
freche, kokette Zitrone dem Wandersmann, der mit allen seinen Hormonen des
Weges kommt, flehentlich zuruft: "Ach, pflück mich, ich bin schon längst
reif!" So eine frivole Zitrone gehört einer lasziv entrückten Dame auf
einem Bett, die sogar insgesamt Zitronengeschmack hat. Und Zitronen
schmecken bekanntlich sehr gelb. Und diese "Zitronen-Venus", die mit viel
gelber Farbe "bekleidet" ist, lockt den Betrachter ganz eindeutig mit
ihrer Zitrusfrucht. Womit jene geniale anatomische Errungenschaft gemeint
ist, die für dieses angenehm weiche Gefühl beim Sitzen sorgt. (Und
übrigens würde ich es mir ohne weiteres zutrauen, einen 1.000-seitigen
Appendix-Band zur Propyläen-Kunstgeschichte zu verfassen: "Der Hintern.
Die Kunst, nicht damit zu sitzen." Denn beim Sitzen wäre er ja
wegzensuriert.) Selbstverständlich malt der Jaber nicht nur Frauen.
Aber seine Bilder sind dann ganz besonders süffig. Und sein Pinsel (das
ist jetzt keine Metapher, ich mein' wirklich nur das Staberl mit den
Borsten) ist molto vivace oder furioso. Und wer sich noch immer nicht mit
einer Kolik auf dem Boden wälzt (und schreit: "I halt's nimmer aus, was
die schon wieder z'ammschreibt"), der kann ja www.m-art.at anklicken. Da
steht meine Eröffnungsrede zur Ausstellung. Man pirscht kreuz und quer
durch den Raum und geht dann und wann leicht in die Knie. Auf der Jagd
nach dem Osterei? Nein, um die - meist abstrakt-geometrischen - Bilder an
der Wand zum Tanzen zu bringen. Der Op-Art-Pionier Marc Adrian ("Op" wie
"Optical") bedient sich nämlich der Linsenbrechung, und seine
Hinterglasmontagen aus den fünfziger bis siebziger Jahren sind im Grunde
raffinierte "optische Spielzeuge". Wohl wegen der Kombination aus
beinharter Präzision und unverhülltem Spieltrieb so ungeheuer
faszinierend. Derzeit in der Galerie Hofstätter (Bräunerstraße 7) zu
sehen. Noch bis 26. April (an dem übrigens um 14.30 Uhr Experimentalfilme
von Adrian gezeigt werden). Adrian stellt aber auch dem Computer gern eine
Aufgabe (zum Beispiel Buchstaben nach bestimmten Kriterien anzuordnen) und
wäscht dann seine Hände in Unschuld. Eigentlich ziemlich deistisch.
Erschienen am: 18.04.2003 |
. |
Chapelle de la Résurrection:
Glasfenster von Th. Reinhold
Quer durch Galerien
Volpinum: Thema "Menschen" - Fotos und Videos
Vierter Restitutionsberi cht vorgelegt
Art Carnuntum 2003: Programmvorschau
MuseumsQuartier: Hamburger Ballett/John Neumeier/"Messia s"
Jüdisches Museum: Der "sportliche Bildhauer" Karl Duldig
Leopold Museum: Toulouse- Lautrec. Das gesamte grafische Werk. Sammlung
Gerstenberg
Quer durch Galerien
|
. |