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Auf, auf, und dem blauen Hirschen nach!
Luxemburg zeigt sich heuer als Wiederholungstäter. Nach 1995 heißt die City erneut Kulturhauptstadt, die unter dem Motto "Migration" erstmals eine Grenzen überschreitende Großregion einbindet. Die OÖN begleiten die Linz09-Delegation, die sich dort umsieht.

"Was sagt Ihnen die Kulturhauptstadt Luxemburg?" Die Stewardess zuckt im Landeanflug die Schultern. "Ich arbeite nicht viel in Luxemburg", sagt sie. "Und ich bin in Frankreich aufgewachsen." Drei Mal täglich fliegt sie mit "Luxair" Frankfurt - Luxemburg und zurück.

Woran ist eine Kulturhauptstadt zu erkennen? Eine Frage, die jedes Jahr zu stellen ist, 2009 in Linz und gleichzeitig im litauischen Vilnius, das es organisatorisch derzeit durchbeutelt, weil die Intendanz das Handtuch geworfen hat.

Dort, wo es röhrt

In der Großregion, die mit Luxemburg, den deutschen Regionen Saarland und Rheinland-Pfalz, dem französischen Lothringen und dem belgischen Wallonien eine Fläche von 60.000 Quadratmetern umfasst, auf der 11 Millionen Menschen leben, navigiert ein tierisches Logo zu Schauplätzen: Wo immer ein blauer Hirsch röhrt oder grast, hat man es mit künstlerischer oder sozialkulturellen Projekten zu tun. Der Paarhufer ist typisch für die Großregion, seine Farbe Cyan steht für den Traum, für die Kreativität.

"Stadt aller Kulturen" nannte sich Luxemburg schon im ersten Kulturhauptstadtjahr 1995. Ein- und Auswanderung passiert täglich. 120.000 Pendler dringen in die wohlhabende 450.000-Einwohner-Stadt ein, die Finanzzentrum, Steuerparadies und Sitz mehrerer EU-Behörden ist - wenngleich man sich an spöttischen Sprüchen wie "Nichts außer Banken und billig tanken" sattgehört hat.

Strafe Gottes

40 Prozent sind nicht Luxemburger, sondern Portugiesen, die als Bauarbeiter ins Land geholt wurden, Italiener, Franzosen, Deutsche. Ein Umstand, dem sich im ehemaligen Stahlwerk im nahen Dudelange die tiefgehende, fantastisch aufbereitete Ausstellung "ReTour de Babel" widmet.

Laut des biblischen Mythos ist sprachliche Vielfalt die Strafe Gottes für den Hochmut der Menschen, die einen bis zum Himmel ragenden Turm bauen wollen. Eine Sichtweise, die anhand von Einzelporträts von Zu- und Abwanderern infrage gestellt wird. 80 Menschen haben ihre Erinnerungen festgehalten, erzählen, was sie bewog, ihre Heimat zu verlassen: Verfolgung, Familie, Geld, Arbeit ...

Für nichts anderes steht ein kleiner Gartenhügel vor der Halle mit Gemüse, das in einem anderen Teil der Welt seinen Ursprung hatte, hierher verpflanzt wurde und trotzdem gedeiht.

Nachhaltigkeit

"ReTour de Babel" ist nur eines von 555 Projekten, die aus dem Budget von 45 Millionen Euro entwickelt wurden. 134 Projekte haben die einzelnen Regionen gemeinsam gestaltet.

Das Wort Nachhaltigkeit, das auch bei allen an Linz09 Beteiligten fleißig buchstabiert wird, ist in Luxemburg als Folge des ersten Kulturhauptstadtjahres bereits sichtbar geworden - etwa in Form der architektonisch spannenden Philharmonie, die von einem Wald aus 823 weißen Stahlsäulen gesäumt wird.

Österreicher ist Direktor

Das künstlerische Innenleben formt mit Direktor Matthias Naske ein Österreicher, der in seiner "Freiraum"-Serie auch Amateuren Platz, Werbung und Marketing schenkt, wofür diese den gesamten Kartenerlös kassieren. Ebenso bemerkenswert die Programmphilosophie, die sich mit 106 Veranstaltungen pro Jahr an Kinder und Jugendliche richtet.

OÖnachrichten vom 11.06.2007
 
   



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