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"Austria", mon amour?

05.04.2007 | 18:29 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Im Wiener Volkskundemuseum zeigen Künstler ihren Umgang mit politischen Symbolen.

Die Künstlerin Bernadette Huber befiehlt: Knien Sie nieder auf dem rot bezogenen Schemel vor der „Austria“. Bemerken Sie die ziemlich frechen feministischen Projektionen auf dieser alten Habsburgermonarchie-Allegorie. Verfolgen Sie kritisch die Herrscherporträts, die aus dem Rumpf der Statue an die Decke projiziert werden. Und erschrecken Sie, wenn gleich der Donauwalzer erklingt und in Ihrem Rücken, in einem rotweißrot eingezäunten Schrebergarten, eine Papp-Austria durchzudrehen beginnt.

Eines der engagiertesten österreichischen Ausstellungsprojekte der jüngeren Zeit macht gerade im Volkskundemuseum Station: „brücken:schlag“ beschäftigt sich mit dem Umgang mit politischen Symbolen im öffentlichen Raum, ihrer Vergänglichkeit und Austauschbarkeit. Vor vier Jahren stießen Barbara Zeidler und Abbé Libansky auf die Meldung, dass die bis 1918 am Hauptplatz in Czernowitz stehende „Austria“, ungeliebtes Machtsymbol der Monarchie, wiedergefunden wurde. Als Torso, ohne Arme, ohne Kopf, verbuddelt in einem Hinterhof.

Mit großem persönlichen Engagement ließen Zeidler und Libansky zehn Gipsabgüsse anfertigen. Ließen ortskundige Kuratoren je zwei Künstler aus Österreich, Ungarn, Polen, der Slowakei und der Ukraine aussuchen. Und statteten diese mit den „Austrias“ sowie dem Auftrag aus, sich mit Symbolen und Identitäten zu beschäftigen. Die fertige Armada tourte schließlich durch Budapest, Bratislava und Krakau, wo die von Janek Simon zu Lara Croft modernisierte Statue den Organisatoren die von offizieller Seite zugesicherte finanzielle Unterstützung kostete.

Seltsam genug. Auf den ersten Blick am provokantesten wirkt in Wien noch János Sugárs „Austria“, die wie ein Tschick-Stummel bemalt in einem Häufchen Kot zu stecken scheint. Ein kleines Video gibt Aufschluss – die ungustiöse Szenerie ist das Ende eines Beziehungsstreits. Die Frage hier lautet, wie es möglich ist, ein Symbol, das zu Abfall geworden ist, wieder mit neuer Bedeutung aufzuladen. Schlicht und darin edel hat Libansky selbst seine „Austria“-Frage gelöst: Er zeigt nur die Abgusshülle. Der Inhalt des Symbols bleibt fragwürdig.

Alle zehn manipulierten Austrias gemeinsam ergeben im Volkskundemuseum eine ungemein anregende Installation. Und so abgelegen der Ort für dieses Projekt auch als Erstes wirkt, so logisch erklärt er sich inhaltlich: Gezeigt werden nämlich auch historische Fotos des Czernowitzer Austria-Platzes. Es waren die ersten Fotos, die einst in die Sammlung des Museums gekommen sind. Zu sehen sind vor allem Leute, die auf dem und um den Sockel der Statue sitzen. Die Statue selbst, die bleibt auch hier ein Konstrukt.

Bis 29.April, Di.–So. 10–17h

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2007)


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