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23.11.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Ausstellung: Verhüllt, entdeckt: Freuds Blick
VON THOMAS KRAMAR
Arnulf Rainer hat fürs Wiener Freud-Museum Fotos des Psychoanalyse-Vaters übermalt.

"Das ist, wie wenn man seinen eigenen Vater übermalt." Arnulf Rainer kann und will nicht verbergen, dass er diesmal mit besonderem Respekt ans Objekt seiner Striche gegangen ist: Fotografien, die Sigmund Freud zeigen, allein, nur einmal mit seiner Tochter Sophie, die er 1920 verlieren sollte. Fast immer strengen Blicks, belastet mit der schweren Würde, die er sich auferlegte - als wolle er erfüllen, was er über den Moses des Michelangelo schrieb: "Eine fast erdrückende heilige Stille ging von ihm aus . . . "

Nur auf einem ganz späten Bild blickt Sigmund Freud heiter-gelassen, und da sieht man auf der Wange schon den Krebs, der an ihm fraß.

Rainer hat Freuds Gesicht kaum angetastet, nie zugemalt, nur hervorgestrichen. Einmal wird dadurch Freuds Stirn riesenhaft, einmal ist ein Auge zugewischt, wodurch das andere einen noch strenger anblickt. In den meisten Bildern umhüllen die Pinselbahnen das Gesicht, das dadurch wirkt, als blicke es durch geraffte Vorhänge, eines Theaters womöglich. Manchmal bilden die Vorhänge ein Oval, durch das das Gesicht zu drängen scheint, als komme es eben zur Welt . . .

"Analyse heißt Aufdecken", kommentiert Inge Scholz-Strasser, Direktorin des Freud Museums: Arnulf Rainer tue nur scheinbar das Gegenteil. Und schon allein die Ausstellung der Fotos mache Verborgenes sichtbar: Der Psychoanalytiker, und als solcher wirkte Freud bis zuletzt, bleibt unsichtbar für den Analysanden, er sitzt hinter seinem Blickfeld.

Doch wenige Gesichter des 20. Jahrhunderts haben so ikonischen Status erlangt wie dieses, sich so sehr dem öffentlichen Blick eingebrannt. "Ich wollte Freud ins Gesicht blicken", sagt Rainer: "Leider hat er nicht immer auf mich zurückgeschaut." Und tatsächlich meint man, starrt man auf all diese übermalten Bilder, endlich auch ein wenig Verweigerung zu sehen, als gingen Freud die Worte des Mephisto durch den Kopf, die er so gern zitierte: "Das Beste, was du wissen kannst, darfst du den Buben doch nicht sagen."

"Rainer über Freud": Bis 19. März im Freud-Museum, täglich 9 bis 17 Uhr.

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