London. Was sieht man beim Sehen? Wie lässt sich das Sehen
manipulieren? Und was bedeutet das für die Kunst? Komplexe Prozesse der
menschlichen Wahrnehmung stehen im Mittelpunkt von Judith Fegerls Arbeiten
für das Austrian Cultural Forum in London.
Das Installations-Triptychon "white light" ist von 5. April bis 4. Mai
im noblen Stadtteil South Kensington zu sehen. Es ist dies die letzte
Ausstellung, bevor das Mehrspartenhaus umgebaut und renoviert wird.
Die in Wien lebende Künstlerin führt das Auge gekonnt hinters Licht.
Mit grünen Lichtblitzen hinterlässt die Installation "Will-o-the-Wisp"
(Irrlicht) Nachbilder auf unserer Netzhaut. Gleichzeitig betrachtet man
ein Video, das ähnliche Strukturen wie diese Schatten zeigt. Bald ist
nicht mehr klar, was man sieht - das Video oder die Bilder, die unser Auge
selbst produziert?
Der Betrachter wird auf sich und seine Sinne zurückgeworfen. "Ich
versuche Emotionen oder Erfahrungen, die ich selber gemacht habe,
technisch zu reproduzieren und sie so aufzubereiten, dass ein Betrachter
sie wieder erfahren kann – auf seine eigene Weise", erläutert die
Künstlerin, die zuletzt Ausstellungen bei der Biennale Warschau, in Prag,
Paris und Nairobi hatte.
"Teardrop Floaters" simuliert die Fäden und Trübungen im Glaskörper des
Auges, die die meisten Menschen sehen, wenn sie gegen eine Lichtquelle
schauen. Auch hier verwischen sich schnell die Grenzen zwischen Betrachter
und Betrachtetem, wird die Schnittstelle zwischen Realität und Virtuellem
zum Thema von Judith Fegerls Kunst.
Fegerl führt den Betrachter an die Grundfragen der Kunst und der
Kunstbetrachtung. Das mache sie "zu einer der spannendsten jungen
KünstlerInnen in Österreich", begründet die Kuratorin Eva Martischnig,
weshalb sie Judith Fegerl nach London eingeladen hat. Fegerls Arbeiten
sind vielschichtig und wirken unmittelbar.
"Es ist mir wichtig, dass es für den Betrachter eine Möglichkeit gibt,
die Arbeit begreifen zu können, ohne vorher ein Hundert-Seiten-Handbuch
lesen zu müssen", betont Fegerl. "Man kann natürlich in die Tiefe gehen,
wenn man bereit ist, die Zeit zu investieren."
Judith Fegerl, Jahrgang 1977, hat ihre Studien in Wien an der
"Bildenden" und der "Angewandten" abgeschlossen. "Ich habe durch diese
Kombination sehr viel gelernt: In der Klasse von Peter Kogler den Zugang
zur zeitgenössischen Galerie-Basierten Kunst und den sehr analytischen
Zugang zu aktueller Kunst. Und auf der anderen Seite die Verwendung von
Technologie und den medientheoretischen Diskurs, der in der Klasse von
Karel Dudesek oder Peter Weibel stattgefunden hat."
Inspiration holt sich Fegerl nicht nur aus der Kunstwelt, die
Wissenschaft und ihre Errungenschaften spielen eine zentrale Rolle.
Hochspannungstransformatoren, Infrarotstrahlen, Laser, Infraschall -
Fegerl bedient sich der Technologie, um unsere Wahrnehmung auf die Probe
zu stellen.
"In gewissen Wissenschaftszweigen steht Technologie zur Verfügung, von
denen ein Künstler nur träumen kann", sagt Fegerl. "Warum soll ein
Künstler nicht auch mit solchen Mitteln arbeiten und thematisch an solche
Dinge anknüpfen?" Man kann. Und kommt im Falle von Judith Fegerl zu
beeindruckenden künstlerischen Ergebnissen.
Judith Fegerl: "white light", Austrian Cultural Forum London, bis 4.Mai
2006, Montag - Freitag: 9.00 - 17.00 Uhr, 28 Rutland Gate, London SW7 1PQ,
T: 0044/(0)207 584 8653, http://www.austria.org.uk/culture
Dienstag, 18. April
2006