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Quer durch Galerien

Schon den Teppich wachsen hören

Von Claudia Aigner

300 Jahre Wiener Zeitung!Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass eine höhere Zivilisation vor Jahrmillionen ein paar evolutionsgeile Mikroorganismen auf der Erde eingeschleppt hat, aus denen dann früher oder später wir, die Menschheit, geworden sind. Wer das glaubt, der wird auch keine Einwände dagegen haben, dass die rätselhaften Piktogramme in den englischen Kornfeldern einfach das L'art pour l'art eines außerirdischen, also extrem ausländischen Land-Art-Künstlers sind, der da quasi seinen Kulturauftrag erfüllt.
Somit wäre bewiesen, dass - alle Künstler außerirdischen Ursprungs sind. (Aber nur, wenn damals auch wirklich die Mikroben aus den unendlichen Weiten des Sternenhimmels gekommen sind, um bei uns "Entwicklungshilfe" in punkto Leben zu leisten und mit den profanen Menschen auch die Künstler hervorbrachten.)
Und wenn wir mit den geheimnisvollen Kornkreisen fertig geworden sind, dann können uns auch die mysteriösen Kreise mitten im Straßenverkehr nicht aus der Fassung bringen (ich meine nicht den Kreisverkehr!), nämlich die exakten Wasserkreise, die mit klarer Nässe (aber nein, nicht mit Blasenschwäche) auf den Asphalt gezeichnet sind und von denen einer am 24. September 1995 kurz nach sieben Uhr früh auf dem Turiner Straßenpflaster wegtrocknete. Auch das total verweinte, "ver-rotwein-te" Haus, das praktisch von einem Tag auf den andern ein kolossales Kreiszeichen aus Spätburgunder auf der Fassade hatte, verunsichert uns nicht wirklich. Denn die feuchten Kreise stammen doch nur von den zwei intelligenten Lebensformen Maik und Dirk Löbbert (oder eigentlich gehören die Brüder aus Köln ja zu ein und demselben intelligenten Leben: zum menschlichen). Die Zwei verstehen sich auf schlichte, aber umso eindringlichere, "imposant minimale" Interventionen in Innen- und Außenräumen.
Nach Wien haben sie das Grünlichtmilieu gebracht. Zugegeben: Ein klitzekleines Milieu (nicht so groß wie das rote, bloß ein einziges grünes Laternderl vor einem einzigen Haus). Aber sehr grün.

Galerie Mezzanin: Wo die Rasenmäher hungrig bleiben

Grünlichtmilieu? Ist das dort, wo im Gegensatz zu den blutroten Bezirken der gut durchbluteten Fleischeslust nicht die Fleischtiger verkehren, sondern die Vegetarier (die Fleischlosen im Lande, denen keine Fauna in den Mund kommt, und die Botaniker und die treuen, also fleischlos freizeitenden Ehemänner)? Nein. Das Mezzanin (Karl-Schweighofer-Gasse 12) ist ja eine Galerie und kein Vegetariertreff.

Draußen hängt bis zum

3. Juli eine dazugeschummelte originale Wiener Straßenlampe, freilich mit ungeheuer grünen Neonröhren bestückt, die gleichzeitig mit der "offiziellen" Straßenbeleuchtung angeht. Und da diese nachtaktiv ist (nicht "nacktaktiv" wie das Rotlichtmilieu), gilt: Wenn die Tage länger werden, wird die Kunst umso kürzer. Drinnen ist alles Teppich. Mit grenzenloser Präzision stoßen ein frühlingsfrisches "Chlorophyllgrün" und ein tiefes, dunkles, sagen wir: "Meditationsgrün" aneinander. In einer sanften Diagonale, die das rechtwinklige Raumgefühl leicht "verunsichert". Schlicht, ja. Aber wirkungsvoll. Wenngleich nicht so sensationell wie die Kreise. Jedenfalls ein konsequent grünes Gefühl.
Ist das ein abstrakter hortus conclusus? Ein spartanisches Paradiesgärtlein? Eine grüne Erinnerung ans Paradies? Möglich. Einen Teppich, diesen Ausbund an stoischer Ruhe und lethargischem Desinteresse an der Welt, muss man ja immerhin nicht wie die gärtnerverwöhnten "Bodenbeläge" in den Parkanlagen (die Rasenflächen) dauernd mit dem Rasenmäher beaufsichtigen (und in Schach halten), damit er in Form bleibt. Einen Teppich mäht und vertikutiert man höchstens aus Versehen.
Und irgendwie schade, dass die Gebrüder Löbbert in Wien nicht ihren heimelig, geradezu anekdotisch arrangierten Sperrmüll im stinknormalen Straßenbild freigesetzt haben. Voller Witz. Einmal ließen sie etwa ein abgenutztes, völlig ausgelaugtes Bügelbrett "mitten im Bügeln" auf dem Asphalt stehen wie Hänsel und Gretel im Wald, das Bügeleisen sogar auf irritierend glaubwürdige Weise angesteckt (an einer Steckdose, außen an der Backsteinmauer). Sollte es die ritterliche Hausfrau, den zuvorkommenden Galan gegeben haben, der das Leiberl geistesgegenwärtig unterm Bügeleisen weggezogen und es vor den Brandwunden gerettet hat, vor der imaginären Bügelhitze? Wer weiß. Aber Zivilcourage ist selten.
Die kleinen, konzentriert humorigen Sperrmüllinszenierungen tun so, als gehörten sie zu einem die Immobilienmakler verhöhnenden Wohnstil: Zum Open-Air-Wohnen. Das ist die Ausgliederung einzelner oder sämtlicher Wohnfunktionen (wie Bügeln, Kochen, Sitzen) aus dem Haushalt. Oder die Ausgliederung des Wohnens aus der Wohnung? Und ob ich die Sperrmüll-Assemblagen überhaupt als solche erkennen würde? Oder hielte ich sie für eine illegale Entsorgung von Abfall?
Hilger contemporary: Wer hat den Traunsee geschnitzt?
Er lässt seine Kamera wie Drachen steigen. Genauer gesagt fliegt die Kamera mit dem Heliumballon. Wir (sofern wir fern- und "Universum" schauen) erinnern uns ja noch an die akrobatisch geilen (oder geil akrobatischen?) Kamerafahrten über den Stephansdom oder über Schloss Schönbrunn hinweg. Ach, daher kennen wir den Georg Riha. Ist das etwa der Regisseur und Kameramann, der dieses ballonfahrende Aufnahmesystem entwickelt hat? Ja. Als Fotograf von spektakulären, ruhigen Bildern (meist aus der kühnen Ballonfahrerperspektive) zeigt er sich noch bis 19. Juni im Hilger contemporary (Dorotheergasse 5).
Vertrautes wie der Steffl wird durch den schwebenden Blick exotisch. Und wenn er sein Kamera-auge in die Na-
tur hineinwirft (beispielsweise berghoch hinaufwirft, auf Furchen und zerknautschte Schneedecken auf dem Gletscher, und alles fast abstrakt wird), dann stehen einem vor Staunen die Augen offen (der Mund selbstverständlich auch). Dazu kommen die brillantesten, tiefsten Farben. Die Augenlider klappten besonders hoch und der Unterkiefer nach unten, als mir die Eisschollen unterkamen. Holzschnittartige Schnitzer im Traunsee.
Alles penible Kompositionen. Manchmal allerdings schon stur und ordnungsfanatisch. Die Schönbrunn- und Steffl-Fotos sind abgebrüht perfekt und glatt. Vielleicht zu perfekt, zu glatt. Eine geometrische Brunnenform wird gnadenlos in die Bildmitte einjustiert. Aber meine unguten Gefühle kommen vielleicht von meinen unguten Erinnerungen an die schulische Geometrie: ans böswillige Fach "Geometrisches Zeichnen", wo ich mich in geometrischer Verzweiflung übers dräuend weiße Blatt beugte.
Galerie nächst St. Stephan: Das Weiß niederschießen
Wenn Katharina Grosse von einem Raum Besitz ergreift, dann mit schwerem Atemschutz und einem spritzenden Schlauch. Eine Feuerwehrfrau? Falsch. Obwohl sie schon was Feuerwehrfrauliches an sich hat, wenn sie mit der "Farbkrachn" (der Spritzpistole) großzügig, doch nicht wahllos das fade Weiß der Wände auslöscht. Man lechzt nach diesen wilden Farbhöhlen und Malhöllen, wenn man die Kataloge durchblättert. In der Galerie nächst St. Stephan (Grünangergasse 1) hängen leider bloß Tafelbilder gesittet da. Bewusst gesetzte, gezielte Farbschichtungen, Transparenzen und Ballungen. Das Highlight: die Monumentalleinwand, auf die Grosse mit dem Besen schwungvolle, duftig weiße Farbschleier gekehrt hat. Bis 31. Juli.

Erschienen am: 11.06.2004

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bullet Secession: Alois Mosbacher, Carola Dertnig, Bernhard Fruehwirth

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