Salzburger Nachrichten am 04. August 2003 - Bereich: lokal
Anstößig

Wie konnte der Gelatin-Mann, laut Bürgermeister Heinz Schaden die künstlerische Darstellung einer rein "persönlichen Fantasie", eine dermaßen heftige Erregung bewirken? Weil er im öffentlichen Raum des Salzburger Festspielbezirkes Brücke schlagend Wasser ließ und damit den öffentlichen Anstand verletzte! Ein Vergehen, das Spieß-bürger mit Entfernung der "Anstößigkeit" zu ahnden pflegen.

Anfang Oktober 1997 zierte ein Zahlenstein des Bildhauers Anton Thuswaldner den Kapitelplatz in Salzburg. Der sechs Tonnen schwere Serpentin mit Löchern und den Zahlen 1 18 19 3 8 12 15 5 3 8 5 18 sollte von den Salzburgerinnen und Salzburgern dechiffriert werden. Jeder, der sich angesprochen fühlt, sei damit gemeint, erklärte der Künstler.

Einer der Ersten, die das Rätsel lösten, indem er die Zahlen den Buchstaben im Alphabet zuordnete, war der freiheitliche Stadtrat Siegfried Mitterdorfer. Die "Steinplastik ist geeignet, öffentliches Ärgernis zu erregen und verhöhnt die Bevölkerung, so dass deren weitere Duldung im öffentlichen Raum nicht mehr angebracht ist", urteilte der Sittenwächter. Seine Gefolgsleute platzierten um den Stein des Anstoßes Plakatständer mit der Frage an den Künstler: "Sind wir alle 1 18 19 3 8 12 15 5 3 8 5 18, Herr TH?"

Grundsätzlich war das Aufstellen von Ständern in der Altstadt damals verboten. Man habe diesen Beschluss nur "großzügig ausgelegt", lautete die Rechtfertigung aus dem Büro des Stadtrates.

Auf das Entfernen seines "Denkmals gegen Denkmäler von Persönlichkeiten und zum Nachdenken" reagierte Thuswaldner gelassen: "Dieser Anschlag auf die Freiheit der Kunst ist für diese Stadt und besonders für die FP typisch, ich habe damit gerechnet."