Peter Baum, langjähriger Direktor der Neuen Galerie Linz und nun des
Kunstmuseums Lentos, erlebt als Museumsmann einen zweiten Frühling,
verfügt er doch mit dem Neubau über eines der schönsten Kunstmuseen
Europas. „Endlich sind wir auch von außen als Museum erkennbar“, stellt er
erleichtert fest. So spricht einer, der eine mittlerweile gut 15.000
Inventarnummern zählende Sammlung samt der zugehörigen
Ausstellungstätigkeit über zwei Jahrzehnte in Räumlichkeiten verwaltete,
die eher an dunkle Büros denn an Ausstellungsräume erinnerten und von
vornherein als (langfristiges) Provisorium konzipiert waren. Jetzt aber
ist der exterritoriale Standort im Urfahrer Einkaufszentrum „Lentia 2000“
endgültig Vergangenheit.
Am 18. Mai wird das Nachfolgeinstitut Lentos feierlich eröffnet, und
die beiden Häuser sind so konträr wie Tag und Nacht. An die Stelle der
alten, niedrigen, von Kunstlicht erhellten und in Möglichkeiten wie
Ausmaßen eingeschränkten Raumsituation tritt nun ein weitläufiges
Tageslichtmuseum, das mit über 8000 Quadratmetern Nutzfläche, davon allein
2300 Quadratmeter Ausstellungsfläche, endlich einen zeitgemäßen
Museumsbetrieb ermöglicht. „Unsere Sammlung konnte man bislang ja nie
adäquat sehen“, sagt Baum, für den die Realisierung des neuen Kunstmuseums
(„Ich hatte zwar immer wieder Statements in die Richtung formuliert, aber
eigentlich nicht mehr damit gerechnet“) den glanzvollen Höhepunkt eines
Lebenswerkes bildet.
Architektonische Herausforderung. Dabei fand er in dem Zürcher
Architekten Jürg Weber, der sich in einem europaweit ausgeschriebenen
Wettbewerb gegen 218 Mitbewerber durchsetzte, einen kongenialen Partner.
Baum: „Die Ausschreibung war klar definiert: Gebaut werden sollte ein
zeitgemäßes Kunstmuseum für die Arbeit mit Kulturgütern, und nicht ein
x-beliebiger Hightech-Tempel, der schon nach außen signalisiert, dass
drinnen mit der Zukunft experimentiert wird. Eine Herausforderung war auch
der Standort, der der bestmögliche Platz in der Stadt ist.“ Fürwahr –
direkt am rechten Ufer der Donau, vis-à-vis vom Stadtzentrum, in
unmittelbarer Nachbarschaft zum Bruckner-Haus wie auch zum Schloss und vor
den Pontons der DDSG-Anlegestelle (was mit Hinblick auf die Besucherzahlen
ein kräftiges Plus verspricht).
Eine weitere Vorgabe war die Konzeption als Tageslichtmuseum. Baum: „So
wie im 19. Jahrhundert, da stehe ich dazu. Denn für die Präsentation von
Malerei ist Tageslicht einfach die ideale Lichtquelle.“ Für die
empfindlichen Sparten Grafik und Fotografie sollten eigens geschützte
Bereiche eingeplant werden. Und es sollten adäquate Voraussetzungen für
die tragenden Pfeiler der Museumsarbeit – Sammeln, Bewahren und
zeitgenössische Vermittlungsarbeit – geschaffen werden.
Jürg Weber hat sich sehr gut auf die museologische Aufgabe wie auch die
bauliche Situation eingestellt. Er lieferte einen Entwurf, der durch
Klarheit, Schnörkellosigkeit und Geradlinigkeit besticht.
Horizontale – Vertikale. Leitmotivisches Grundelement der gesamten
Architektur ist der extreme Quader, bestimmende Materialien sind
Sichtbeton und Glas. Mit einem flachen, parallel zum Flussverlauf lang
gestreckten Quader, in dessen ebenerdigem Mittelteil dank einer dem
Brückenbau entlehnten Technologie ganz ohne Stützen ein 60 Meter langer,
24 Meter breiter und acht Meter hoher hallenartiger Bereich freigelassen
(„herausgeschnitten“) wurde, reagierte Weber sensibel auf die Umgebung.
Das für eine moderne Großstadt typische Wechselspiel von Horizontalen
und Vertikalen, das aber in Linz durch den mitten durch die Stadt
verlaufenden Strom und die Uferverbauung einen starken horizontalen Akzent
erhält, spielte bei den Überlegungen des Architekten eine große Rolle.
Dazu kommt als Impuls eine idyllische Hügellandschaft rund um die Stadt,
die zum Linzer Image als Voest-Stadt einen kräftigen Gegenpol bildet – und
nun durch den ebenerdigen, vom Gebäude gerahmten Auslass wie ein
panoramaartiges Bild wahrgenommen werden kann. Eine weitere Möglichkeit
der Durch- und Aussicht bieten schließlich die über vierzig Meter langen,
beidseitig verlaufenden ebenerdigen Fensterbänder, die das Quadermodul
neuerlich ins Spiel bringen.
Glashülle. Als Außenhülle wurde der Betonbau rundum mit einer – zu
speziellen Anlässen von innen beleuchtbaren – Glashülle versehen. Nicht
nur Logocharakter hat die durchgehende Bedampfung der
Verbundsicherheitsglasplatten mit dem Schriftzug „Lentos Kunstmuseum“ –
dicht an dicht ist der Schriftzug einige Zehntausend Mal an der gläsernen
Fassade zu lesen –, die durchbrochene Verspiegelung lässt das Gebäude wie
die Schuppen eines Fisches je nach Lichteinfall und Wettersituation in
immer neuer Gestalt erscheinen.
In seiner vielfältigen baulichen Durchlässigkeit, seiner Leichtigkeit
und Transparenz wird das Lentos zur Klammer zwischen Kunst, Natur und
urbanem Raum. Im Inneren dominieren in den Funktionsbereichen – Foyer,
Stiegenhaus, Auditorium, Café, pädagogischer Bereich, Büroräume sowie
Depots, Bibliothek, Werkstätten und Versorgungszonen im Untergeschoß –
ebenfalls Sichtbeton und Glas in Kombination mit klar strukturierten
Birkenholzelementen. Im Ausstellungsbereich im Obergeschoß hingegen sind
die Wände ganz in Weiß getüncht, den Plafond ersetzen durchgängig
Milchglasbänder, hinter denen sich computergesteuerte Lamellen zur
Regulierung des Tageslichteinfalls befinden. Gegliedert ist der Bereich im
Verhältnis ein Drittel zu zwei Drittel in eine große Ausstellungshalle für
Wechselausstellungen und einen – elf separierte „White Cubes“ zählenden –
Umgang für die Präsentation der Bilder und Skulpturen der Sammlung.
Zum Auftakt setzt Peter Baum unter dem Motto „Tradition und
Avantgarde“ allerdings auf Komplexität und präsentiert Höhhepunkte der
Sammlung, den Räumen entsprechend unter verschiedenen thematischen
Aspekten – etwa „Paradise“, „Prinzip Informel“, „Porträt im Wandel“,
„Erlebnis Landschaft“, „Expression und Gestus“. Zu sehen ist überwiegend
Malerei, vereinzelt auch Skulptur und Fotografie, von Jüngeren wie auch
Klassikern: von Baselitz, Corinth, Cragg, Damisch, Egger, Gertsch über
Haring, Klimt, Kokoschka, Lassnig, Münter bis zu Pechstein, Rainer,
Scheibl, Schiele, Scully, Thöny, Warhol und vielen anderen mehr.
Einzelpräsentationen gelten Herbert Bayer, dem emigrierten Bauhäusler
aus Oberösterreich, und Hermann Nitsch. Im lichtgeschützten Untergeschoß
werden 60 „Meisterwerke der Graphik“ sowie „Höhepunkte der Photographie“
gezeigt.
Tipp:
Lentos Kunstmuseum Linz: Ernst-Koref-Promenade 1:
tägl. ausser Di 10–18, Do bis 22 Uhr.
Eröffnung am 18. Mai mit „open
house“: 14.30–20 Uhr bei freiem Eintritt.
Info: 070/7070-3600
http://www.lentos.at/
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