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16.05.2003 - Ausstellung
Museumseröffnung: Zu neuen Ufern
Wie ein Schiff liegt das neue Kunstmuseum „Lentos“ am südlichen Ufer der Donau in Linz. Mit einer grossen Überblicksausstellung über die Kunst der letzten 100 Jahre bricht es optimistisch in die Zukunft auf.
Von Johanna Hofleitner


Peter Baum, langjähriger Direktor der Neuen Galerie Linz und nun des Kunstmuseums Lentos, erlebt als Museumsmann einen zweiten Frühling, verfügt er doch mit dem Neubau über eines der schönsten Kunstmuseen Europas. „Endlich sind wir auch von außen als Museum erkennbar“, stellt er erleichtert fest. So spricht einer, der eine mittlerweile gut 15.000 Inventarnummern zählende Sammlung samt der zugehörigen Ausstellungstätigkeit über zwei Jahrzehnte in Räumlichkeiten verwaltete, die eher an dunkle Büros denn an Ausstellungsräume erinnerten und von vornherein als (langfristiges) Provisorium konzipiert waren. Jetzt aber ist der exterritoriale Standort im Urfahrer Einkaufszentrum „Lentia 2000“ endgültig Vergangenheit.

Am 18. Mai wird das Nachfolgeinstitut Lentos feierlich eröffnet, und die beiden Häuser sind so konträr wie Tag und Nacht. An die Stelle der alten, niedrigen, von Kunstlicht erhellten und in Möglichkeiten wie Ausmaßen eingeschränkten Raumsituation tritt nun ein weitläufiges Tageslichtmuseum, das mit über 8000 Quadratmetern Nutzfläche, davon allein 2300 Quadratmeter Ausstellungsfläche, endlich einen zeitgemäßen Museumsbetrieb ermöglicht. „Unsere Sammlung konnte man bislang ja nie adäquat sehen“, sagt Baum, für den die Realisierung des neuen Kunstmuseums („Ich hatte zwar immer wieder Statements in die Richtung formuliert, aber eigentlich nicht mehr damit gerechnet“) den glanzvollen Höhepunkt eines Lebenswerkes bildet.

Architektonische Herausforderung. Dabei fand er in dem Zürcher Architekten Jürg Weber, der sich in einem europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb gegen 218 Mitbewerber durchsetzte, einen kongenialen Partner. Baum: „Die Ausschreibung war klar definiert: Gebaut werden sollte ein zeitgemäßes Kunstmuseum für die Arbeit mit Kulturgütern, und nicht ein x-beliebiger Hightech-Tempel, der schon nach außen signalisiert, dass drinnen mit der Zukunft experimentiert wird. Eine Herausforderung war auch der Standort, der der bestmögliche Platz in der Stadt ist.“ Fürwahr – direkt am rechten Ufer der Donau, vis-à-vis vom Stadtzentrum, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Bruckner-Haus wie auch zum Schloss und vor den Pontons der DDSG-Anlegestelle (was mit Hinblick auf die Besucherzahlen ein kräftiges Plus verspricht).

Eine weitere Vorgabe war die Konzeption als Tageslichtmuseum. Baum: „So wie im 19. Jahrhundert, da stehe ich dazu. Denn für die Präsentation von Malerei ist Tageslicht einfach die ideale Lichtquelle.“ Für die empfindlichen Sparten Grafik und Fotografie sollten eigens geschützte Bereiche eingeplant werden. Und es sollten adäquate Voraussetzungen für die tragenden Pfeiler der Museumsarbeit – Sammeln, Bewahren und zeitgenössische Vermittlungsarbeit – geschaffen werden.

Jürg Weber hat sich sehr gut auf die museologische Aufgabe wie auch die bauliche Situation eingestellt. Er lieferte einen Entwurf, der durch Klarheit, Schnörkellosigkeit und Geradlinigkeit besticht.

Horizontale – Vertikale. Leitmotivisches Grundelement der gesamten Architektur ist der extreme Quader, bestimmende Materialien sind Sichtbeton und Glas. Mit einem flachen, parallel zum Flussverlauf lang gestreckten Quader, in dessen ebenerdigem Mittelteil dank einer dem Brückenbau entlehnten Technologie ganz ohne Stützen ein 60 Meter langer, 24 Meter breiter und acht Meter hoher hallenartiger Bereich freigelassen („herausgeschnitten“) wurde, reagierte Weber sensibel auf die Umgebung.

Das für eine moderne Großstadt typische Wechselspiel von Horizontalen und Vertikalen, das aber in Linz durch den mitten durch die Stadt verlaufenden Strom und die Uferverbauung einen starken horizontalen Akzent erhält, spielte bei den Überlegungen des Architekten eine große Rolle. Dazu kommt als Impuls eine idyllische Hügellandschaft rund um die Stadt, die zum Linzer Image als Voest-Stadt einen kräftigen Gegenpol bildet – und nun durch den ebenerdigen, vom Gebäude gerahmten Auslass wie ein panoramaartiges Bild wahrgenommen werden kann. Eine weitere Möglichkeit der Durch- und Aussicht bieten schließlich die über vierzig Meter langen, beidseitig verlaufenden ebenerdigen Fensterbänder, die das Quadermodul neuerlich ins Spiel bringen.

Glashülle. Als Außenhülle wurde der Betonbau rundum mit einer – zu speziellen Anlässen von innen beleuchtbaren – Glashülle versehen. Nicht nur Logocharakter hat die durchgehende Bedampfung der Verbundsicherheitsglasplatten mit dem Schriftzug „Lentos Kunstmuseum“ – dicht an dicht ist der Schriftzug einige Zehntausend Mal an der gläsernen Fassade zu lesen –, die durchbrochene Verspiegelung lässt das Gebäude wie die Schuppen eines Fisches je nach Lichteinfall und Wettersituation in immer neuer Gestalt erscheinen.

In seiner vielfältigen baulichen Durchlässigkeit, seiner Leichtigkeit und Transparenz wird das Lentos zur Klammer zwischen Kunst, Natur und urbanem Raum. Im Inneren dominieren in den Funktionsbereichen – Foyer, Stiegenhaus, Auditorium, Café, pädagogischer Bereich, Büroräume sowie Depots, Bibliothek, Werkstätten und Versorgungszonen im Untergeschoß – ebenfalls Sichtbeton und Glas in Kombination mit klar strukturierten Birkenholzelementen. Im Ausstellungsbereich im Obergeschoß hingegen sind die Wände ganz in Weiß getüncht, den Plafond ersetzen durchgängig Milchglasbänder, hinter denen sich computergesteuerte Lamellen zur Regulierung des Tageslichteinfalls befinden. Gegliedert ist der Bereich im Verhältnis ein Drittel zu zwei Drittel in eine große Ausstellungshalle für Wechselausstellungen und einen – elf separierte „White Cubes“ zählenden – Umgang für die Präsentation der Bilder und Skulpturen der Sammlung.
Zum Auftakt setzt Peter Baum unter dem Motto „Tradition und Avantgarde“ allerdings auf Komplexität und präsentiert Höhhepunkte der Sammlung, den Räumen entsprechend unter verschiedenen thematischen Aspekten – etwa „Paradise“, „Prinzip Informel“, „Porträt im Wandel“, „Erlebnis Landschaft“, „Expression und Gestus“. Zu sehen ist überwiegend Malerei, vereinzelt auch Skulptur und Fotografie, von Jüngeren wie auch Klassikern: von Baselitz, Corinth, Cragg, Damisch, Egger, Gertsch über Haring, Klimt, Kokoschka, Lassnig, Münter bis zu Pechstein, Rainer, Scheibl, Schiele, Scully, Thöny, Warhol und vielen anderen mehr.

Einzelpräsentationen gelten Herbert Bayer, dem emigrierten Bauhäusler aus Oberösterreich, und Hermann Nitsch. Im lichtgeschützten Untergeschoß werden 60 „Meisterwerke der Graphik“ sowie „Höhepunkte der Photographie“ gezeigt.


Tipp:

Lentos Kunstmuseum Linz: Ernst-Koref-Promenade 1: tägl. ausser Di 10–18, Do bis 22 Uhr.
Eröffnung am 18. Mai mit „open house“: 14.30–20 Uhr bei freiem Eintritt.
Info: 070/7070-3600
http://www.lentos.at/



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