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Zeichen der Zeit: Sperrmüll-Kunst von Fabian Seiz

03.09.2009 | 17:22 | von Johanna Hofleitner (Die Presse - Schaufenster)

Für andere ist es Müll, für Fabian Seiz Arbeitsmaterial. Aus Sperrmüll fertigt der Künstler seine Skulpturen – auch schon vor der Krise. Nicht ohne Grund wurde Seiz ausgerechnet heuer gebeten, den OscART-Award zu gestalten.

Spanplatten, Tischlerabfälle, alte Zollstöcke, löchrige Fahrradschläuche, Spiegelscherben, ausrangierte Podeste – Fundstücke wie diese sind typische Materia­lien für Fabian Seiz. Gelegentlich kommen noch zugekaufte Grundstoffe wie Spiegelfolie, Sperrholz und Stoffe vom Laufmeter dazu. Aber das meiste fällt Seiz zu. Freunde sammeln für ihn. Hie und da geht er auch mit einem von seiner Schwester geborgten Kastenwagen auf Sperrmülltour. Und wenn in der näheren Umgebung seines Ateliers in der Nähe des Stephansdoms Wohnungen geräumt werden, wird er ebenfalls hellhörig. Ein ganzes Biedermeierschlafzimmer hat auf diese Weise kürzlich Eingang in sein Werkstofflager gefunden. Jetzt, vor dem Winter, ist er besonders emsig, denn wenn die Möbel im Winter auf die Straße gestellt werden, sind sie meistens schmutzig und feucht und daher unbrauchbar.
Sein mitten in der Wiener Innenstadt in dem bis auf Weiteres ungenützten „Stiftungshaus“ am Bauernmarkt gelegenes Atelier, das er zusammen mit anderen Künstlern teilt, ist voll von derlei Dingen.

Teils in Boxen vorsortiert, teils schon verarbeitet stapeln sich diese Ingredienzien in Regalen. Aus ihnen baut der 34-jährige Wiener, der als Meisterschüler von Gunter Damisch an der Akademie am Schillerplatz eigentlich Malerei studiert hat, magische Objekte und Installationen mit lapidaren Titel wie „One room“, „Vollen“ und „Lehren“, „Fassaden“, „Wir sind da, wo oben ist“, die die Räume, in denen sie ausgestellt sind, zu veritablen Denkkulissen umfunktionieren.

Kein Jäger, ein Finder.
Ganz egal, ob es sich dabei um den klassischen White Cube einer Galerie, eine aufgelassene Garage, ein winziges Eckschaufenster einer Apotheke in einer Wiener Einkaufsstraße oder das elegante Ambiente einer Galaveranstaltung handelt – gespickt mit feiner Ironie verhalten sich Fabian Seiz’ Objekte wie Katalysatoren, die ebenso mit inhaltlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen wie mit Grenzen und Entgrenzung spielen. Ökologie interessiert Seiz bei diesem Recyclingvorgang allerdings gar nicht. Wirtschaftlichkeit und politische Ansagen auch nicht. Vielmehr geht es ihm bei seiner Arbeit um eine gewisse Unaufgeregtheit und subversive Selbstverständlichkeit im Umgang mit Reststücken der Kultur, die einfach da sind.

Ob er den Dingen, die er verarbeitet, nachjagt? „Ich bin ein Glückskind und finde es spannend, mit den Teilen zu arbeiten, die ich finde“, sagt er. Das Holz ist ihm da als Ressource am nächsten, damit hat er durch Studentenjobs in einer Tischlerei jahrelang Erfahrung gesammelt. „Ich baue und konstruiere gern“, sagt er über seine Arbeitsweise. „Und gehe sehr lustvoll und verspielt an die Arbeit heran.“ Dazu kommen zahlreiche Inputs durch Gelesenes – von Alchemie über Astronomie und Geschichte bis hin zu Garten­theorie. „Mein Thema ist die Wahrnehmung in und außerhalb von geschlossenen Systemen“, sagt er. „Ich bin dabei ­immer wieder fasziniert, wie wenig Anstoß es braucht, um ­eine Idee in Gang zu bringen, und versuche dabei, immer ,unschlüssiger‘ zu werden. So gesehen kann man meine ­Objekte auch als Denkmaschinen sehen.“

Damit steht Seiz in der Tradition des „objet trouvé“ – ­also der Verarbeitung gefundener Objekte in Skulpturen und Collagen, mit denen Marcel Duchamp am Beginn des 20. Jahrhunderts dem Akademismus mit seinem aufgesockelten Urinoir, mit dem Flaschentrockner oder dem Fahrradrad als einer der Ersten Kontra gegeben hat.

Ein Statement. Selbst hat Fabian Seiz so ein Kontra­statement mit seiner jüngsten Arbeit gegeben: dem „OscART“ – der Trophäe für die bevorstehende Preisverleihung der Wirtschaftskammer Österreich für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der zeitgenössischen Kunst und des Kunsthandels, die heuer zum neunten Mal vergeben wird. Dass für die Gestaltung dieser glamourösen Prämie ausgerechnet ein Künstler wie Seiz eingeladen wurde, darf als Zeichen der Zeit gewertet werden. Denn Seiz hat dem begehrten Objekt, das es sowohl in einer Luxusausgabe aus Holzleisten und Spiegelfolie wie auch in einer erschwinglichen Edition aus Spanplatten und Fahrradschläuchen gibt, nur wenig vom ursprünglichen Glanz gelassen. Ob ihm dabei –
so wie den Juroren – auch die aktuel­le Wirtschaftskrise durch den Kopf gegangen ist? Das will er so nicht sehen. „Die Künstler haben angesichts der Krise in gewissem Sinn einen großen Startvorteil, weil sie permanent in einer prekären Situation leben. Deshalb habe ich von der Krise selbst gar nicht so viel gemerkt und auch bei den Verkäufen keine besonderen Einbrüche bemerkt. Als Künstler erwartet man die Krise geradezu immer.“


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