Spanplatten,
Tischlerabfälle, alte Zollstöcke, löchrige Fahrradschläuche,
Spiegelscherben, ausrangierte Podeste – Fundstücke wie diese sind
typische Materialien für Fabian Seiz. Gelegentlich kommen noch
zugekaufte Grundstoffe wie Spiegelfolie, Sperrholz und Stoffe vom
Laufmeter dazu. Aber das meiste fällt Seiz zu. Freunde sammeln für ihn.
Hie und da geht er auch mit einem von seiner Schwester geborgten
Kastenwagen auf Sperrmülltour. Und wenn in der näheren Umgebung seines
Ateliers in der Nähe des Stephansdoms Wohnungen geräumt werden, wird er
ebenfalls hellhörig. Ein ganzes Biedermeierschlafzimmer hat auf diese
Weise kürzlich Eingang in sein Werkstofflager gefunden. Jetzt, vor dem
Winter, ist er besonders emsig, denn wenn die Möbel im Winter auf die
Straße gestellt werden, sind sie meistens schmutzig und feucht und
daher unbrauchbar.
Sein mitten in der Wiener Innenstadt in dem bis
auf Weiteres ungenützten „Stiftungshaus“ am Bauernmarkt gelegenes
Atelier, das er zusammen mit anderen Künstlern teilt, ist voll von
derlei Dingen.
Teils in Boxen vorsortiert, teils schon
verarbeitet stapeln sich diese Ingredienzien in Regalen. Aus ihnen baut
der 34-jährige Wiener, der als Meisterschüler von Gunter Damisch an der
Akademie am Schillerplatz eigentlich Malerei studiert hat, magische
Objekte und Installationen mit lapidaren Titel wie „One room“, „Vollen“
und „Lehren“, „Fassaden“, „Wir sind da, wo oben ist“, die die Räume, in
denen sie ausgestellt sind, zu veritablen Denkkulissen umfunktionieren.
Kein Jäger, ein Finder. Ganz egal, ob es sich
dabei um den klassischen White Cube einer Galerie, eine aufgelassene
Garage, ein winziges Eckschaufenster einer Apotheke in einer Wiener
Einkaufsstraße oder das elegante Ambiente einer Galaveranstaltung
handelt – gespickt mit feiner Ironie verhalten sich Fabian Seiz’
Objekte wie Katalysatoren, die ebenso mit inhaltlichen Vorgaben und
Rahmenbedingungen wie mit Grenzen und Entgrenzung spielen. Ökologie
interessiert Seiz bei diesem Recyclingvorgang allerdings gar nicht.
Wirtschaftlichkeit und politische Ansagen auch nicht. Vielmehr geht es
ihm bei seiner Arbeit um eine gewisse Unaufgeregtheit und subversive
Selbstverständlichkeit im Umgang mit Reststücken der Kultur, die
einfach da sind.
Ob er den Dingen, die er verarbeitet,
nachjagt? „Ich bin ein Glückskind und finde es spannend, mit den Teilen
zu arbeiten, die ich finde“, sagt er. Das Holz ist ihm da als Ressource
am nächsten, damit hat er durch Studentenjobs in einer Tischlerei
jahrelang Erfahrung gesammelt. „Ich baue und konstruiere gern“, sagt er
über seine Arbeitsweise. „Und gehe sehr lustvoll und verspielt an die
Arbeit heran.“ Dazu kommen zahlreiche Inputs durch Gelesenes – von
Alchemie über Astronomie und Geschichte bis hin zu Gartentheorie.
„Mein Thema ist die Wahrnehmung in und außerhalb von geschlossenen
Systemen“, sagt er. „Ich bin dabei immer wieder fasziniert, wie wenig
Anstoß es braucht, um eine Idee in Gang zu bringen, und versuche
dabei, immer ,unschlüssiger‘ zu werden. So gesehen kann man meine
Objekte auch als Denkmaschinen sehen.“
Damit steht Seiz in der
Tradition des „objet trouvé“ – also der Verarbeitung gefundener
Objekte in Skulpturen und Collagen, mit denen Marcel Duchamp am Beginn
des 20. Jahrhunderts dem Akademismus mit seinem aufgesockelten Urinoir,
mit dem Flaschentrockner oder dem Fahrradrad als einer der Ersten
Kontra gegeben hat.
Ein Statement. Selbst hat
Fabian Seiz so ein Kontrastatement mit seiner jüngsten Arbeit gegeben:
dem „OscART“ – der Trophäe für die bevorstehende Preisverleihung der
Wirtschaftskammer Österreich für herausragende Leistungen auf dem
Gebiet der zeitgenössischen Kunst und des Kunsthandels, die heuer zum
neunten Mal vergeben wird. Dass für die Gestaltung dieser glamourösen
Prämie ausgerechnet ein Künstler wie Seiz eingeladen wurde, darf als
Zeichen der Zeit gewertet werden. Denn Seiz hat dem begehrten Objekt,
das es sowohl in einer Luxusausgabe aus Holzleisten und Spiegelfolie
wie auch in einer erschwinglichen Edition aus Spanplatten und
Fahrradschläuchen gibt, nur wenig vom ursprünglichen Glanz gelassen. Ob
ihm dabei –
so wie den Juroren – auch die aktuelle
Wirtschaftskrise durch den Kopf gegangen ist? Das will er so nicht
sehen. „Die Künstler haben angesichts der Krise in gewissem Sinn einen
großen Startvorteil, weil sie permanent in einer prekären Situation
leben. Deshalb habe ich von der Krise selbst gar nicht so viel gemerkt
und auch bei den Verkäufen keine besonderen Einbrüche bemerkt. Als
Künstler erwartet man die Krise geradezu immer.“