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Schiele-Fälschungen: Absolute Sicherheit gibt es nicht

09.04.2008 | 18:26 | BARBARA PETSCH (Die Presse)

Je stärker der Preis der Originale steigt, desto mehr Kopien entstehen. Zeichnungen sind besonders gefährlich. Die wichtigsten Instanzen für Echtheit sind Jane Kallir und Rudolf Leopold. Sie sind uneinig.

Bei allen Künstlern, wo die Preise stark steigen, wird auch intensiv gefälscht“, sagt der Geschäftsführer des Auktionshauses „Im Kinsky“, Otto Hans Ressler. Er ist ist einer der wenigen, die offen über das Thema reden. Bei Sotheby's z.B. will man sich gar nicht dazu äußern. Die meisten fragen verwundert: Wieso ist das aktuell? Weil, wie ein Experte anonym formuliert, „ziemlich viel Schiele auf dem Markt ist. Zwar hat er viel gearbeitet, aber er wurde nur 28 Jahre alt.“ Vor allem Zeichnungen kommen immer wieder auf den Markt, Gemälde selten. Bei Zeichnungen ist die Gefahr von Fälschungen besonders groß. Siebzig bis achtzig Fälschungen, berichtet der 83-jährige Sammler und Schiele-Experte Rudolf Leopold, seien ihm in seinem Leben bereits untergekommen.


Fälschung im Polizeirevier

Mit der amerikanischen Galeristin Jane Kallir teilt er sich das „Monopol“ der Echtheitszertifikate für Schiele. Leopold wird gern von den inländischen Auktionshäusern befragt, Kallir von den internationalen. Ein Grund: Um die Echtheit zu prüfen, muss man die Originale sehen, wie soll man die aus Österreich nach Amerika bringen? Basis der Erkennung sind die Werkverzeichnisse.

Leopold wie Kallir haben eines verfasst, jenes von Kallir ist jünger und umfangreicher. Der Handel rät, außer dem Werkverzeichnis auf jeden Fall einen der Experten, Leopold oder Kallir, zu Rate zu ziehen. Freilich sind sich die beiden nicht immer einig. Die oben abgebildeten Zeichnungen wurden „Im Kinsky“ zweimal angeboten, 2002 die falsche, 2007 die echte. Leopold hatte die Fälschung identifiziert, das Original war im Werkverzeichnis zu finden, die Kopie sehr geschickt gemacht. Was Ressler ärgert: „Fälscher gehen oft straflos aus. Gerichte stellen die Verfahren ein.“ Nicht immer.

In den Achtzigern, erzählt Ressler, gab es einen jungen Mann im Burgenland, der als Künstler keinen Erfolg hatte. „Dann hat ihm jemand gesagt: Du hast einen Strich wie der Schiele. Er hat ihn dann kopiert, gar nicht schlecht – und hat angefangen, die Zeichnungen Kunsthändlern zu verkaufen. Sie waren nicht signiert. Die Händler haben gekauft. Sie dachten, da wird uns ein Schiele angeboten von einem, der nicht weiß, dass es Schiele ist. Der Fälscher hat dann begonnen, die Schieles zu signieren. Dann wurde er geschnappt. Als die Polizei von Wien ins Burgenland gefahren ist, hat sie auf dem Polizeirevier in der Heimatgemeinde des Fälschers an den Wänden viele Schieles entdeckt, die der den Beamten geschenkt hatte. Dreieinhalb Jahre hat er bekommen.“

Eine andere Geschichte, die Ressler erlebt hat: „1994 hatten wir einen Kunden, der mit einer Schiele-Zeichnung gekommen ist, datiert 1910, 1911. Leopold hat gesagt: ,Fälschung.‘ Wir sind dann auch draufgekommen, wer der Fälscher war, nämlich Otto Rudolf Schatz (bekannter Maler der Zwischenkriegszeit). Ob das für Schatz eine Fingerübung war oder eine wirkliche Fälschung, wir wissen es nicht. Auf jeden Fall, wir haben die Zeichnung als Schatz in die Auktion genommen, haben sie unserem Rahmenmacher gegeben – und der hat sie unglücklicherweise auf das Autodach gelegt, worauf sie verschwunden ist. Vor drei Jahren ist die Zeichnung als echter Schiele wieder aufgetaucht mit einem Gutachten von Jane Kallir, die das Blatt aufgrund eines Fotos beurteilte, wobei sie schrieb: ,Kolorierung möglicherweise von fremder Hand.‘ Das ändert nichts, dass sie eine erstklassige Expertin ist, aber bei Fotos kann man eben nicht sicher sein. Also selbst wenn Sie alles haben, gibt es keine absolute Garantie.“

Nachkolorierungen sind im Übrigen nicht selten, weil, so Ressler, „Schieles Schwager, der nie verstanden hat, warum Schiele so erfolgreich ist und er nicht, Zeichnungen nachkoloriert hat.“ Vorsicht ist vor allem bei frühen Zeichnungen geboten, so Ressler, etwa 1906–1909, als Schiele noch nicht so charakteristisch gestaltet hat wie später: „Selbst für diese Blätter werden inzwischen verrückte Preise gezahlt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2008)


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