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22.11.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Sie warf Schatten auf Österreich
VON DANIELA TOMASOVSKY
Wien Museum. Man kennt ihre Bilder, ihren Namen kaum noch: Barbara Pflaum galt in der Zweiten Republik als die "First Lady der Pressefotografie". Eine Retrospektive.

E
ine Frau von hinten, Fettwülste schieben sich über den Rand ihres Ballkleides. Aufgenommen wurde das Foto beim Wiener Opernball, erschienen ist es am 11. Jänner 1978 als Titelbild der "Wochenpresse". Dazu der Titel: "Übergewicht: Der Speck muss weg." Und der Bildtext: "Wiener Ballbesucher: Der Sieg am kalten Buffet bleibt nicht ohne Folgen." Geschossen wurde das Foto von Barbara Pflaum, und es ist typisch für ihre Arbeitsweise. Wo andere ausschließlich Pomp und Gloria im Sinn gehabt hätten, hatte sie den Blick für das andere, Besondere, Abseitige.

Das Wien Museum zeigt derzeit die erste Pflaum-Retrospektive. Aus 15.000 Prints und 150.000 Negativen haben die Kuratoren Gerald Piffl und Susanne Wieser 300 Fotos ausgesucht und geschickt zusammengestellt. Die Bilder sind einerseits nach Motiv-Kategorien (Politiker, Künstler, Straßenszenen) geordnet, andererseits erzählt die Schau Pflaums Leben - und die Geschichte des Bildjournalismus der Zweiten Republik.

Der erste Raum der Ausstellung schildert die Gründung der "Wochenpresse" - das Magazin sollte zu Pflaums beruflicher Heimat werden, sie prägte mit ihren Arbeiten die Identität der Zeitschrift entscheidend.

Die Idee für ein österreichisches Nachrichtenmagazin kam von Fritz Molden: Am 2. April 1955 ließ er die "Presse"-Wochenendausgabe unter neuer Aufmachung, mit neuem Titel als eigenständige Zeitung erscheinen - inspiriert durch internationale Vorbilder wie "Newsweek", "Time", "Life" und den "Spiegel". Dass die neue Zeitungsform nicht nur positiv aufgenommen wurde, bezeugen zahlreiche Leserbriefe erboster "Presse"-Leser, vor allem das große Coverfoto stieß auf Ablehnung: "Mit diesen größenwahnsinnigen Passbildern machen Sie Ihr Blatt zum Steckbriefplakat", liest man da.

Barbara Pflaum war zu dieser Zeit knapp über 40, frisch geschieden und hatte sich autodidaktisch das Fotografieren beigebracht. Nach einem Jahr als freie Bild-Journalistin konnte sie Molden davon überzeugen, sie für die "Wochenpresse" anzustellen. Dabei half sicher ihre revolutionäre Arbeitsweise: Sie bevorzugte ungewöhnliche Kamerapositionen, setzte geschickt vorhandene Licht- und Schattenpositionen ein, um Physiognomie und Körper zum Sprechen zu bringen. Mit ihrer "Rolleiflex" - die den Sucher oben, nicht seitlich hatte - fotografierte sie außerdem oft mit Untersicht, was leicht zu einem Doppelkinn oder einer vergrößerten Nase führte. Als "Meuchelfotos" wurden die Arbeiten immer wieder gescholten, und das in einer Zeit, da es noch eherne Regeln im politischen Fotojournalismus gab: einen gewissen Abstand zum Porträtierten zu halten; brave, schmeichelhafte Brustbilder anzufertigen.

Doch Pflaum wollte erzählen, nicht nur abbilden. Eindrucksvoll zeigt das ihr wohl berühmtestes Bild: Franz Olahs Schatten-Porträt am Cover der "Wochenpresse", dazu der Titel: "Schatten über Österreich". Entstanden ist das bei einer harmlosen Szene, bereits ein Jahr vor dem Skandal: Olah stand durch Scheinwerferlicht im Schatten seiner Ehefrau. Für das Cover ein Jahr später wählte Pflaum einen Bildausschnitt, der völlig auf Olahs Gesicht fokussierte, auf die Physiognomie eines unnahbaren Funktionärs der Macht. Ein diabolisches Bild war geboren.

Legendär wurde auch das Lümmel-Bild von Erhard Busek und Josef Taus. "Aus erzieherischen Gründen" habe sie es geschossen, bekannte Pflaum. Ja, sie hatte auch ein Ansinnen zur ästhetischen Erziehung ihrer Mitbürger. Die Fotografin Valerie Loudon über die Freundin: "Pflaum hat viel Wert auf Äußerliches gelegt. Wir wurden immer gekämmt bei ihr. Dicke Leute waren für sie das Letzte. Sie war richtig streng und wahnsinnig diszipliniert. Manchmal war sie da richtig ungut, heute würde man sagen: politisch unkorrekt."

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