Sammlung Essl Klosterneuburg: Maria Lassnig
Körperhüllen der Selbstentblößung
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Maria Lassnig: "Die Atommütter" (1984, Öl auf Leinwand). Archiv der Künstlerin/Sammlung Essl
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Maria Lassnig: "Industrieengel" (1989, Öl auf Leinwand). Archiv der Künstlerin/Sammlung Essl
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Maria Lassnig: "Mit dem Kopf durch die Wand" (1985, Öl auf Leinwand). Sammlung Essl Privatstiftung
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Die bekannteste österreichische Malerin, Jahrgang 1919, Spitze
jahrelanger Rankings in Magazinen, wird mit der Schau "Maria Lassnig.
body. fiction. nature" aus hauptsächlich eigenen Beständen nach ihrer
Retrospektive im Zwanz’ger Haus vor sechs Jahren bis 28. August in der
Sammlung Essl präsentiert.
Ergänzt wird der erstaunlich angewachsene Bestand von 40 Ölbildern
und 35 Papierarbeiten durch die bis jetzt nur in der Galerie Ulysses
gezeigten 5 Skulpturen der Künstlerin, die ab den 70er Jahren nebenbei
entstanden sind und ihre typischen Inhalte ins Dreidimensionale
wandeln. Außerdem sind die wichtigsten acht (Zeichentrick-)Filme in
einer Blackbox am Ende zu verfolgen.
Das Ehepaar Essl begann relativ spät, vor etwa 20 Jahren, als Maria
Lassnig bereits spät berufene Professorin an der Angewandten war, ihre
Arbeiten ab den 50er Jahren zu sammeln, der Schwerpunkt liegt aber
demnach von 1980 bis heute.
Trotz ihrer auf das Körpergefühl konzentrierten Inhalte lehnt es Maria
Lassnig ab, als feministische Künstlerin bezeichnet zu werden.
Kuratorinnen und Kuratoren sowie auch die Wissenschaft haben sich aber
schwer getan, sie nicht auch mit der amerikanischen Body-art in
Verbindung zu bringen, wenngleich ihre Eigenart des "Body Awareness"
angeblich dort nicht geschätzt war und sie deshalb einen
realistischeren Stil wählte, während sie von 1968–1980 in New York
lebte. Mit der gleichfalls erst im Alter bekannt gewordenen Louise
Bourgeois war sie außerdem der Artists Women Liberation beigetreten.
Zu den Wurzeln ihrer Selbstbeobachtungen, die wahrscheinlich im Wiener
Kreis und bei Ernst Mach zu suchen sind, kommen eine Begeisterung für
Science Fiction - beides wird jedoch auf unnachahmlich eigensinnige
Weise in Gefühlsautomaten, fleischliche Roboter und Mischwesen
gewandelt. Tiere – es fallen hier besonders Raubvögel auf – werden mit
ihren menschlichen Pendants gefühlsmäßig in Beziehung gesetzt und
vertreten eine Art Charakterbild des Porträtierten.
In der Farbigkeit blieb die Lassnig, trotz der Pariser Jahre
(1961–1968) und Amerika dem Kolorit der bekanntesten Maler des
Expressionismus in Kärnten, Wiegele und Kolig, bis heute verbunden. Die
grellen Kontraste von Rosarot, Orange und hellem Blaugrün sind für sie
typisch.
Das Sammlerpaar Essl hat den Zyklus von Papierarbeiten "Landleute"
(1996–2003) aus ihrer Kärntner Heimat zur Gänze erworben und
präsentiert ihn in einer schönen Hängung, die mit der Künstlerin und
Kuratorin Christine Humpl konzipiert wurde. Diese Porträts sind ein
interessanter Beitrag zur heutigen Realismusdebatte und zeigen Maria
Lassnig einmal mehr als Vorbild für Generationen von Künstlerinnen und
Künstlern in Österreich.
In den letzten Jahren hat die Mitachtzigerin weiter an ihren
Körperbeobachtungen gearbeitet und gibt mit einem räumlicheren
Figurenstil, der allerdings zwischen den Figuren die Leinwand
unbehandelt lässt, ein kräftiges Zeichen ihrer Präsenz im
Kunstgeschehen.
Spontan, ironisch, expressiv und vor allem auch lebenslustig malt die
Trägerin aller großen Malereipreise Euro-pas und Österreichs gegen die
Zeit an: Man darf also noch auf einige Überraschungen gefasst sein.
Freitag, 29. April 2005