Daher wurde dieser Teil der Wiener Geschichte für eine neue Installation des Sigmund Freud-Museums an die Peripherie gerückt, erläutert Guttmann im STANDARD-Gespräch. "Dieses Projekt ist wie ein Traum von Freuds Geschichte. Genauso, wie der Mensch schmerzhafte Erfahrungen nur in seinen Träumen verarbeitet."
Es sind Buchregale in der straßenseitigen "Auslage" des Freud-Museums, verdreht aufgebaut, gefüllt mit Büchern, Kopien oder auch nur Buch-"Dummies". Die Originale sind je vier Bücher aus der Bibliothek im Londoner Freud Museum, dem Psychiatrischen Institut in New York und dem Wiener Freud Museum. Bücher, die vor der Vertreibung 1938 in Wien vereint waren, wie die Kuratorin Nadja Wiesener erläutert. Und es sind Bücher, die sich mit dem psychoanalytischen Begriff der "Verschiebung" oder verwandten Themen befassen.
"Sha'at'nez oder die verschobene Bibliothek" ist der Titel der Installation - "das vorläufig letzte Projekt der Reihe Außenansicht", wie Inge Scholz-Strasser, Direktorin des Freud Museums, bei der Präsentation ankündigte.
"Sha'at'nez" ist ein biblischer Begriff (Levitikus 19, 19), der Verbindungen ohne organische Einheit bezeichnet. Dinge, die nicht zusammen gehören, wie ein Stoff aus Leinen und Wolle. Die hier mehrfache Bedeutung des Begriffs "Verschiebung" erschließt sich allerdings erst voll im englischen "displaced" - und zwar nicht nur im psychischen Sinn. "Freud selbst war eine displaced person", so Guttmann, "verschoben" nach England, wie seine Bibliothek. Zerrissen, verteilt - der organischen Einheit beraubt.
Anders als bei der "offenen Bibliothek", die Clegg & Guttmann 1991 als Kunstprojekt in Graz errichteten, wird hier überdies nicht nur der öffentliche Raum, sondern die Dualität des Innen und Außen Thema. Guttmann: "Es ist die Innen-Außen-Dualität der Verschiebung, der Schritt vom Inneren zur Peripherie". (DER STANDARD, Printausgabe, 20./21.3.2004)