VN Mi, 23.7.2003

Politik
Lokal
Sport
Markt
Kultur
Welt

Chronik
Leserbriefe
TV
Karriere
VN-Heimat

Anzeigen
eVN.vol.at






Kultur 

MEINUNG

Ende einer Provokation

VON WALTER FINK

Eigentlich war es nur eine ganz kleine Sache, ein kleines Schaufenster. Eine Miniatur-Guckkastenbühne sozusagen. Allerdings mit prominentem Standort. Direkt am Eingang zum Bregenzer Leutbühel. Kunst-Terminal nannte sich das kleine Bauwerk. Die Vergangenheitsform ist deshalb angebracht, weil dieser Schaukasten der Kunst ab heute der Vergangenheit angehören wird. Um 10.15 Uhr, genau zwölf Jahre nach seiner Errichtung, wird dieser Terminal, errichtet von der Firma Rhomberg Bau, wieder abgebrochen. Dann nämlich läuft der Vertrag aus, den Gottfried Bechtold vor einem Dutzend Jahren eingegangen ist. Schade, daß diese permanente, Tag und Nacht zugängliche Schau nun vorüber sein wird. Und doch auch wieder gut, haben die Dinge doch ihre Zeit.

Der Kunst-Terminal von Gottfried Bechtold war, so klein er war, doch immer wieder eine Provokation. Er war eine durch seine Inhalte, er war ebenso eine, weil eben über manche Zeit gar nichts zu sehen war. Außer Reste der letzten Installation, sozusagen der Kunstmüll vergangener Arbeit. Höhepunkt der Auseinandersetzung um diese kleine Galerie, die eher wie ein Bildstock anmutete, war sicher die Reaktion von Bechtold auf die Jeff-Koons-Ausstellung im Kunsthaus. Bechtold zeigte mit nur einem Foto aus einem aufgeschlagenen Buch den nicht bereinigten Koons, jenen, der Jahre vor seiner Präsentation in Bregenz durch mehr als nur erotische Bilder mit seiner Frau einerseits provoziert, andererseits aber auch den Kunstmarkt und vor allem die Klatschspalten der internationalen Presse erobert hatte. Das brachte Bechtold eine Anzeige - viel Ärger also, allerdings ohne weitere Folgen. Legitim war damals beides: Die Idee des Kunsthauses, nur einen bestimmten Werkzyklus von Koons zu zeigen ebenso wie die Bechtolds, auf frühere Arbeiten hinzuweisen. Die Diskussion zur Ausstellung wurde aber erst durch diese Aktion richtig angeregt.

Die Koons-Sache war nur herausragend, aber nicht der einzige Anlaß, über den im Zusammenhang mit dem Kunst-Terminal diskutiert wurde. So wurde dieses kleine "Schaufenster der Kunst" zu immerwährendem Anlaß, über Kunst zu reden, auch über Kunst zu streiten. Der Terminal war damit auch ein besonderes Beispiel für - wenn auch nur temporäre - Kunst im öffentlichen Raum, Beispiel dafür, daß Kunst vielleicht nicht unbedingt etwas bewegen, aber doch zumindest ins Gespräch bringen, für Auseinandersetzung sorgen kann. Nicht zuletzt deshalb, weil man in diesem Fall eben nicht ins Museum oder in eine Ausstellung gehen mußte, sondern ganz einfach im Vorbeigehen mit den Ideen von Gottfried Bechtold konfrontiert wurde. Man konnte sich ganz einfach nicht entziehen, weil - selbst bei Ärger über die Sache - die Neugier des Menschen denn doch nicht zu unterschätzen ist. So erregten sich viele, obwohl es ja einfach gewesen wäre, das provokative Fensterchen ganz einfach zu ignorieren.

Der Hinweis auf bekannte, oft aber verschwiegene oder nicht wahrgenommene Zusammenhänge war immer wesentlicher Bestandteil von Bechtolds Arbeit. Ganz im Sinne von Paul Klee, nach dem Kunst nicht das Sichtbare zeige, sondern vielmehr sichtbar mache. Man kann den Bogen von frühen Arbeiten wie dem ersten Betonporsche bis in die jüngere Vergangenheit mit der Signatur auf der Staumauer des Silvrettasees ziehen - immer geht es Bechtold darum, bestimmte Dinge in neuem Licht erscheinen zu lassen, damit etwas anderes erkennbar zu machen. So gesehen ist es also schade, daß der Kunst-Terminal heute abgetragen wird. Es hätte vermutlich noch einiges gegeben, das über ihn hätte transportiert werden können. Vermutlich kann man aber getrost sein: Gottfried Bechtold wird andere Wege finden, auf seine Sicht der Dinge aufmerksam zu machen.

* * *

Die Meinung des Gastkommentators muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen. Auf Wunsch des Autors erscheint sie in der alten Rechtschreibung.




Kultur 

Zum Seitenbeginn