Unsichtbare Exhibitionisten?
Von Claudia Aigner
Es ist ein bisschen wie beim "Unsichtbaren Mann", von dem man
ja auch nur die bekleideten Körperteile zu Gesicht bekommt, weil der Mann
selbst ja schon per definitionem nicht gesehen werden kann. Und wenn
einmal wirklich ausnahmslos alles den Blicken entzogen ist, dann geht er
quasi gerade als unsichtbarer Exhibitionist durch die Gegend.
Zweifellos angezogen ist er (ein paar "unsichtbare Männer" weiblichen
Geschlechts sind freilich auch dabei) bei Andrea Pesendorfer. (Bis 25.
November in der Galerie Winter, Breite Gasse 17.) Die Kleidungsstücke
sehen nämlich so aus, als würde noch immer jemand drinstecken. Soll
heißen: Die Merkfähigkeit dieser Hemdkleider geht eindeutig über das
Erinnerungsvermögen einer ausgebeulten, abgetragenen Jeanhose hinaus, die
sich den Hintern ihres Besitzers so halbwegs gemerkt hat. Pesendorfer
hat schlicht und einfach Oberbekleidung, die mit menschlichem Inhalt
ausgestopft ist (kurz: die jemand am Leib hat), abfotografiert, durch
Digitaldruck auf Stoff übertragen und das Ganze zu dreidimensionalen
Gewandobjekten weiterverarbeitet. Deshalb haben die Resultate, die zum
Teil noch immer tragbar sind, die Körperformen und die letzte
Körperhaltung des allerletzten Trägers gespeichert. Und so kann es kommen,
dass sich Pesendorfer für eine Fotoserie einen nackten Mann anzieht, der
ein Transparenthemd anhat, durch das man jedes Haar auf den Hinterbacken
sieht. Und die aufgeknöpften Hemden an der Wand, die uns den Rücken
zukehren, so als hätten sie versucht, sich der Wand anzuziehen?
Wahrscheinlich ist ja nicht David Copperfield halt schnell einmal durch
die Wand gegangen und sein Hemd ist dabei draußen hängen geblieben. Andrea
Pesendorfer spielt sich raffiniert mit Schein und Sein (wenn sie etwa
neben einen bloß illusionistisch, nämlich fotografisch vorhandenen Knopf
einen echten näht). Hat sie anfangs Keilrahmen mit Stoffen von Saris
(dem indischen "Wickeldirndl") oder mit Stoffen der alpenländischen Tracht
(quasi vom "Holladaro-Dirndl") "bekleidet" und an die Wand gehängt, so
macht sie das immer noch neben den Kleiderobjekten, nur viel barocker.
Auch heute noch betreibt sie "Weben im Rückwärtsgang" und zupft aus den
Stoffen sehr gezielt Fäden heraus und überführt mit dieser faszinierenden
Technik Kleider- und sonstige Stoffe in vollgültige abstrakte Kunstwerke.
Mondrian hätte diese Art zu "schneidern" sicher gefallen. Dazu kommen
neuerdings noch geradezu barocke Falten. (Die hätten Mondrian weniger
gefallen.) Martina Tscherni (bis 28. November bei Ernst Hilger,
Dorotheergasse 5) ist natürlich nicht jenen lästigen mordlüsternen
Rieseninsekten begegnet, die zu ausgewachsen sind, um sich von "Tus" oder
"Vandal" einschüchtern zu lassen, und die auch niemanden verschonen, nur
weil er sich mit "Autan" eingeschmiert hat. Bedroht fühlen könnte man sich
ja auch höchstens von den beunruhigend monströsen, überlebensgroß
aufgeplusterten Maden. Die "Krabbelviecher" auf den anderen Bildern machen
einen vergleichsweise harmlosen Eindruck: ein reiches Über- und
Durcheinander von diszipliniert gezeichneten Hirschkäfern (wie aus dem
Insektenkundlerbuch). Die Bilder bestechen durch ihre
naturwissenschaftliche und zeichnerische Exaktheit und nicht zuletzt
dadurch, wie hier gegenständliche Kunst und abstrakte Kunst ineinander
schwappen (besonders wenn sich ein schwarzer Farbbalken "rücksichtslos"
ins Bild schiebt).
Erschienen am: 10.11.2000 |
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