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Kunstberichte
Leipzig präsentiert das erste Gemälde von Papst Benedikt XVI.

Auge in Auge mit Christi Stellvertreter

Ein würdiger, aber doch 
auch ein suchender Mensch:

Papst Benedikt XVI. auf dem Porträt von Michael Triegel aus dem Jahr 
2010. Foto: VG Bild-Kunst Bonn, 2010

Ein würdiger, aber doch auch ein suchender Mensch:
Papst Benedikt XVI. auf dem Porträt von Michael Triegel aus dem Jahr 2010. Foto: VG Bild-Kunst Bonn, 2010

Von Joachim Lange

Aufzählung In Leipzig wird dieser Tage nicht nur das erste offizielle Papst-Gemälde präsentiert. Im Museum für bildende Künste sind unter dem Titel "Verwandlung der Götter" gleich 70 Werke Michael Triegels zu sehen. Natürlich ist das Porträt des deutschen Pontifex der Star der Ausstellung. Dass Benedikt damit einverstanden ist, hat der – übrigens ungetaufte – in Leipzig tätige Maler amtlich: als päpstliche Unterschrift auf einem Foto des jetzt erstmals präsentierten Bildes.

Wobei das Placet nicht verwundert: Bissige Religions-, Kirchen- oder Papstkritik sieht anders aus. Pure Hofmalerei allerdings auch. Vorgesehen ist das Werk für das Regensburger "Institut Benedikt XVI.". Joseph Ratzinger saß zwar nicht im klassischen Sinne Modell, doch Triegel bekam die Gelegenheit, bei einer Generalaudienz Nahstudien zu betreiben. Und zu dem griffigen Begrüßungs-Bonmot "Ach, Sie sind also mein Raffael" fand der Papst dann auch noch die Zeit.

Triegel ist kein Liebling einer auf Moderne festgelegten, schon Figürlichkeit für pures Teufelszeug haltenden Kunstkritik. Aber er hat eine Fan-Gemeinde, zu der auch die Kirche zählt. Als Porträtist und Altar-Maler hat er schon jetzt, mit Anfang 40, einen Ruf.

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Mit altmeisterlichen Ambitionen: Michael Triegels "Doppeltes Selbstbildnis".

Klerikaler Ernstfall

Für den klerikalen Ernstfall saß zwar sicherheitshalber der Regensburger Bischof Gerhard Müller Probe. Doch so selbstgewiss in sich ruhend und alles weglächelnd wie dessen Porträt ist das Papstbild dann doch nicht geworden. Es zeigt einen sehr irdischen alten Mann, dem die Insignien des Amtes zwar die Würde einer zweitausend Jahre alten Institution verleihen, der aber doch auch ein suchender Mensch ist. Und dem man die Fragen nach seiner Kirche von heute nicht per se ersparen würde. Es ist der würdige Stil, der an den alten Meistern, aber bei genauem Hinsehen auch am pfiffigen Goya geschult ist.

Triegel hat sein Handwerk in Leipzig gelernt. Und das merkt man der handwerklichen Perfektion seiner Bilder an. Er ist zwar Schüler von Arno Rink und Ulrich Hachhulla, doch trägt er mit seinem sympathisch selbstbewussten Anachronismus vor allem Werner Tübkes altmeisterlichen Stil weiter – stets in einem klugen Wechselspiel von ererbter Symbolik und einem metaphorischen und ganz wörtlichen Blick in den Spiegel. Doch in Triegels Bildern gibt es immer auch die subtile Sabotage des schönen Scheins. In den Faltenwürfen seiner Prachtgewänder steckt oft nur Leere. So sitzt sein Jesus längst allein und ohne Gesicht an seiner Tafel. Es ist vor allem dieser doppelte Boden, der die Bilder zu einer Kunst macht, die sich die Koordinaten, an denen sie sich orientiert, selbst sucht. Im Leipziger Museum ist ein Fest für die Sinne zu besichtigen. Auge in Auge mit dem amtierenden Papst.

Aufzählung Ausstellung

Verwandlung der GötterVerwandlung der Götter
Museum der bildenden Künste Leipzig
bis 6. Februar 2011



Printausgabe vom Mittwoch, 01. Dezember 2010
Online seit: Dienstag, 30. November 2010 18:19:00

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