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Was von der Glorie blieb
Für Linz ist es nun amtlich - es wird 2009 europäische Kulturhauptstadt sein. Dieser Titel liegt dann für die Dichterstadt Weimar zehn Jahre zurück. Ein Besuch in Thüringen zeigt: Es war ein Schub nach vorne, wenn auch auf Dauer ein teurer.

Anting-Newtown wird eine "deutsche Stadt" in China: Vor den Toren Shanghais planen vier Architekturbüros aus Weimar eine 40.000-Einwohner-Stadt für die Wohlhabenden aus der nahen Metropole. Die Chinesen waren auf Weimar im Zuge dessen Kulturhauptstadtdaseins aufmerksam geworden. 10 Jahre bevor Linz die Ehre zuteil wird, trug die an Historie und deutscher Kultur reiche Stadt in Thüringen ganz alleine ein Jahr lang diesen Titel: Europäische Kulturhauptstadt 1999.

Vieles kam damals für Weimar zusammen: Goethes und Schillers runde Geburtstage, zehn Jahre Mauerfall, 80 Jahre Bauhaus und Weimarer Republik. Heute sticht die Stadt an der Ilm noch immer heraus: Kaum ein Haus, das noch die graue Blindheit der DDR-Ära trägt, keinerlei Tristesse, wie sie im Osten weiterhin mitunter anzutreffen ist. "Man erkennt die Stadt nicht wieder. Diesen Satz höre ich oft von den Weimarern", sagt Fritz von Klinggräff, Sprecher im Rathaus mit den knarrenden Holztreppen, schräg gegenüber vom eleganten Cranach-Haus. Aus Brüssel sei zu hören, dass Weimar neben Dublin die erfolgreichste Kulturhauptstadt gewesen sei, erzählt er.

Attraktivität erhöht

Doch nicht nur öffentliche Gebäude, Museen und Plätze wurden für 1999 saniert. Vor allem unter der Erde wurde Weimar schneller der neuen Zeit angepasst, als alle Orte rundum: Das gesamte Wasserleitungssystem, aber auch Licht und Heizung wurden vollständig erneuert. 800 Millionen Euro investierten damals EU, Bund, Land und Stadt in Weimar.

Dies erhöhte die Attraktivität der Goethe- und Schillerstadt ungemein: Seit 1994 steigen die Einwohnerzahlen stetig und halten derzeit bei 64.000 - einzigartig für den deutschen Osten. Wohlhabende Ruheständler aus dem Westen lassen sich in der beschaulichen Stadt in Thüringen nieder. Aber auch 6000 Studenten leben in Weimar. Gleichzeitig hat sich eine Art "Kulturbürgertum" herausgebildet: "Das hat auch 1999 gebracht", sagt Klinggräff im OÖN-Gespräch. "Gewisse Kürzungen sind kaum noch möglich" - ohne dass die Kulturinteressierten auf die Barrikaden steigen.

Das beschert der Stadt aber auch Probleme: So musste etwa das frisch renovierte Stadtmuseum 2002 geschlossen werden, weil die Stadt das Personal nicht mehr bezahlen konnte. Die neue Kongresshalle rückte innerhalb von fünf Jahren unter die "Top-Ten" ihresgleichen in Deutschland. "Das alles führt uns an den Rand des Desasters", gibt der Rathaussprecher sorgenvoll zu.

Andererseits steigen die Touristenzahlen, heuer wird erstmals (außer 1999) die halbe Million erwartet. 2004 fand die Eröffnung des "Jahres des offenen Denkmals" in Weimar statt. "Das sind alles Windeffekte einer Kulturhauptstadt", sagt Fritz von Klinggräff.

OÖnachrichten vom 16.11.2005
 
   



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