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Quer durch Galerien

Die Konservenbüchse der Pandora

Von Claudia Aigner

300 Jahre Wiener Zeitung!Es ist immer das Gleiche mit diesen Werbegeschenken: Die damit Umworbenen lesen nie das Kleingedruckte in ihren Hirnen (die klitzekleinen Bedenken in ihrem Hausverstand). Einem g'schenkten trojanischen Gaul schaut man eben nicht ins Maul (oder eigentlich in den Bauch) und einer geschenkten Frau schaut man nicht in die Büchse. Büchse? Pfui! Was ist denn das wieder für eine perverse Metapher? Wohl für ihre . . . ihre anatomische Schweinerei. Nein, völlig daneben.
Wir erinnern uns hier lediglich an Pandora, die eine Trotzreaktion gewesen ist vom unentwegten "Goldmedaillengewinner" der "olympischen Liebesspiele", also von Zeus, der sich nach der unautorisierten Übergabe des Feuers an die Menschen (durch den rebellisch menschenfreundlichen Prometheus) ein fesches Pupperl zur Bestrafung der Erdlinge bestellt hat, die ja jetzt sogar kochen, das heißt: ihre Nahrung befeuern konnten. Pandora: Hephaistos hat sie mit rundungskundigen Händen (immerhin war er mit Aphrodite verheiratet) aus Lehm geknetet, bevor seine Gattin sie auch noch mit allem Liebreiz der Damenwelt ausgestattet hat, damit sie das eigentliche Produkt (die Büchse) den sterblichen Männern schmackhaft mache. Denn: Sex sells.
Als Pandora nun ihre Büchse öffnete, wurde gleich der ganzen Menschheit übel. Wohlgemerkt: Es handelt sich nicht um die "Konservenbüchse der Pandora" mit unerschöpflich schlechtem Essen. Drin waren vielmehr die Symptome aller Krankheiten und Schlechtigkeiten auf der Welt.

Galerie Serafin: Eine Welle der Unmännlichkeit

Wenn es freilich nach dem herzhaft, aber gutartig karikierenden Maler Ezequiel geht, einem wahren Meister der tragikomischen Figuren mit exzentrischen Gesichtern und ebensolchem Körperbau (bis 18. Juni in der Galerie Serafin, Florianigasse 9), dann war's ein Handtascherl und keine Büchse. Bei all den Mysterien, die Frauen in ihren Handtaschen haben, hüten sie da drinnen womöglich tatsächlich auch die andern Geißeln der Menschheit (neben dem alleweil quengelnden Handy, das ja dauernd wie ein Baby schläft: Alle zehn Minuten wacht es auf und schreit - ach, gibt es übrigens schon den Babygeschrei-Klingelton? Ich mutmaße: ja).
Ezequiels liebenswürdig unvollkommene, ungrazile Pandora, die doch laut "Bauanleitung" in der Mythologie der Inbegriff der Anmut sein soll (und da der Maler nur auf Spanisch Auskunft geben kann, sind mir seine Bilder jetzt notgedrungen schutzlos ausgeliefert), steht entschlossen akrobatisch auf einem männlichen Haupt herum. Das muss der Epimetheus sein, bei dem das Denken immer erst hinterher einsetzt, der zuerst heiratet und erst dann überlegt, was seine Braut denn im Tascherl hat. Na gut: kein handliches Tascherl, sondern ein regelrechter Umhängekoffer.
Auf der linken Schulter sitzt ein Rabe. Oder eine Krähe? (Ich bring' es vielleicht gerade noch zuwege, jemandem einen Vogel zu zeigen, also die eindringlich flüchtige Akupressur der Schläfe mit dem Zeigefinger durchzuführen. Darüber hinaus bin ich ornithologisch aber gänzlich unbegabt.) Ein Unglücksbringer ist's jedenfalls. Das passt ja zur Pandora. Obendrein ein pietätloses Viech, das auch Kadavern kulinarisch nicht abgeneigt ist, auch wenn dereinst zwei heldenhafte Raben das, pardon: "heilige Aas" des hl. Vinzenz gegen die Entsorgung durch den frei herumlaufenden Hunger wilder Tiere verteidigt haben sollen.
Malt Ezequiel also bizarre Männerfantasien, kuriose Matriarchatsträume? Ich will ja nicht sagen, dass alle seine Männer "Zniachterln" sind. Sein "verliebter Mann" natürlich schon, der geradezu mit dem tiefen Bass von Wagners Hagen treulich teddybärig brummen könnte: "Hier sitz ich zur Wacht, wahre den - Haushalt." Mit dem Besen nämlich. Während seine Angebetete sich lässig potent auf dem Sofa räkelt. Eine Powerfrau. Und der einzige Mann in "Der Jäger" wird zwar nicht gerade von einer Welle der Unmännlichkeit, einer Frauenhorde, weggerissen, wirkt aber mit seiner Patriarchatsuniform (dem Herrenanzug) sehr verloren inmitten von so viel weiblicher Eigenart und Persönlichkeit. Gut, sie alle leiben und leben jenseits jeder Konfektionsgröße und müssen mit ihren gestauchten Proportionen durchwegs Kurzgrößen tragen. Aber ihre Staturen sind sympathisch gesättigt.
Ezequiel ist nicht nur ein virtuos lausbübischer Menschenbildner, er ist auch ein großartiger Kolorist, der seine Bilder farblich süffig durchkomponiert. Und ein brillanter Zeichner.

Galerie Chobot: Nasenlöcher - die Gucklöcher zur Seele

Das ist nicht die erotische Kunstsammlung eines Vampirs, der nun einmal andere Körperformen bevorzugt als der nicht blutsaugende Mann. Nämlich schwellende Halsschlagadern und nicht schwellende Weiten (Oberweiten). Zugegeben: Damit einem Vampir beim bloßen Anblick der Gemälde von Dorota Sadovská (bis 18. Juni bei der Chobot, Domgasse 6) reflexartig im Gebiss schon die Kanülen ausfahren, dafür sind die zarten und die prall fleischigen Hälse zu blass und ein bissl zu wenig blutdurchpulst. Obwohl die Porträtierten in der Tat die Kopfhaltung von "Vampiranimierdamen" einnehmen (und die Knutschflecklust, die leichte, sublimierte Form des Vampirismus, wohl allemal erwecken - oder die Begierden eines HNO-Arztes).
Die Modelle, die die slowakische Künstlerin vor dem Malen abfotografiert, werfen den Kopf quasi bis zum Anschlag zurück. Und beweisen, dass der Hals doch ein besonderes Merkmal ist, jetzt, wo das bis zur Unkenntlichkeit gestauchte Gesicht nicht mehr passtauglich ist. Und man könnte zur Überzeugung gelangen, die Nasenlöcher und nicht die Augen wären die Gucklöcher zur Seele. "Saubere" Malerei, die vom konsequent eigenwilligen Blickwinkel lebt. Die Hängung ist kongenial, baumeln die "schrägen Porträts" doch in gleichfalls schrägem Winkel von der Decke, dass der Betrachter ein Nackenbewusstsein hat wie in der ersten Reihe im Kino.

Galerie Faber: Auch Salatblätter sind Amerikaner

William Eggleston steckt sein Objektiv überall hinein, wo Amerika ist. Und das liegt auch in den Abfallhaufen der Südstaaten, wo der Salat von nebenan welkt. Oder unter den Trucks. Schon die Probeabzüge von einem einzigen Farbfilm (aus dem "Louisiana Projekt, 1981", bis 19. Juni beim Faber, Brahmsplatz 7) wirken wie ein kurzer, beiläufiger Reiseführer durchs "abgefuckte" und ganz außergewöhnlich gewöhnliche Amerika.
Allerdings: Da begegnet ihm einmal eine richtige Persönlichkeit (ein Hochsicherheitskondomautomat, kurz: einer mit Bogenschlössern, der durch seine totale Abgenutztheit und Schäbigkeit längst anonymisiert ist), und er macht nur ein einziges Foto. Und das ist "verrutscht" (ein klein wenig zu viel oder viel zu wenig, je nachdem). Die charismatisch geknautschte Matratze mit "menschlicher" Taille ist aber mindestens ebenso auratisch. Schnappschüsse mit instinktivem Niveau und Heimatsinn.

Erschienen am: 04.06.2004

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bullet Präzise Aufnahme eines Überganges

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