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"Maler des Fleisches" Lucian Freud ist tot

22.07.2011 | 10:05 |  (DiePresse.com)

Er war eine der wichtigsten und schillerndsten Figuren der Kunstwelt: Affären und Schlägereien brachten den Enkel Sigmund Freuds regelmäßig in die Schlagzeilen. Er starb mit 88 Jahren.

Der britische Künstler Lucian Freud ist tot. Der Maler und Zeichner sei im Alter von 88 Jahren in seinem Londoner Haus gestorben, berichtete die britische Presseagentur Press Association am Donnerstagabend unter Berufung auf die Kunstagentin Diana Rawstron. Freud sei bereits Mittwochnacht friedlich eingeschlafen, hieß es in der Mitteilung. Sein New Yorker Kunsthändler William Acquavella sagte nach Angaben des Senders BBC, Freud sei bereits seit längerem krank gewesen.

Freud galt als einer der wichtigsten Künstler der Gegenwart. Kritiker nannten ihn den "besessensten Maler des Fleisches". Seine Studien nackter Körper gelten als erbarmungslos, ja geradezu hässlich. In einer Zeit, in der das Abstrakte die Kunst bestimmte, hielt er am Figürlichen fest.

Flucht vor den Nazis

Der in Berlin geborene Künstler war der Enkel des Wiener Psychoanalytikers Sigmund Freud. Im Jahr der Machtübernahme der Nazis 1933 war er mit seiner Familie nach Großbritannien ausgewandert. Er war seit 1939 britischer Staatsbürger. Freud malte schon seit jungen Jahren. Bereits mit 14 Jahren besuchte er die Londoner Central School of Art.

Auf Versteigerungen erzielten seine Gemälde Millionenpreise. Vergangenen Monat verkaufte sich sein Werk "Woman Smiling, 1958-59" für 4,7 Millionen Pfund (5,3 Millionen Euro). Ein Selbstporträt mit einem blauen Auge, das er sich bei einer Schlägerei mit einem Taxifahrer eingefangen hatte, kam vergangenes Jahr für mehr als 2,8 Millionen Pfund unter den Hammer.

Mehr als 50 Jahre lang gehörte Freud zu den schillerndsten zeitgenössischen Künstlern. So machte er auch mit seinem Privatleben Schlagzeilen. Gerüchten zufolge soll er Dutzende uneheliche Kinder (angeblich bis zu 40) und zahllose Affären gehabt haben.

Oft in Schlägerein verwickelt

Seine Hände kamen nicht selten als Fäuste zum Einsatz. "Ich war oft in Schlägereien verwickelt", sagte er einmal in einem Interview. "Der Grund war nicht, dass ich so gerne kämpfe; die Leute haben wirklich Sachen zu mir gesagt, auf die ich meiner Ansicht nach nur mit Schlägen antworten konnte."

"Die Lebendigkeit seiner Akte, die Intensität seiner Stillleben und die Präsenz seiner Porträts von Freunden und Familienmitgliedern garantieren Freud einen einzigartigen Platz in der Ruhmeshalle der Kunst des späten 20. Jahrhunderts", sagte der Direktor der renommierten Tate Kunstgalerien.

Wollte in Österreich und Deutschland nicht ausstellen

Jasper Sharp, Kurator für zeitgenössische Kunst am Wiener Kunsthistorischen Museum (KHM), sagte dem "Standard", dass es in Wien eine Freud-Ausstellung geben wird. "Nach vielen Monaten von Diskussionen und Verhandlungen mit ihm sind wir übereingekommen, im Herbst 2013 im KHM eine Retrospektive des Lebenswerks von Freud zu bringen." Anfang 2014 ist geplant, diese Ausstellung in das Museo del Prado in Madrid zu bringen. Sharp: "Freud selbst hat die Werke ausgesucht, er war in jeden Schritt eingebunden.

Wilfried Seipel, der Vorgänger von KHM-Chefin Sabine Haag, hatte erfolglos versucht, Lucian Freud nach Wien zu holen. Der Maler lehnte es kategorisch ab, in Deutschland und Österreich auszustellen.

KHM-Chefin Haag würdigte den Enthusiasmus und den Einsatz des Malers, was die gemeinsame Vorbereitung der Ausstellung betrifft. Haag: "Wir sind tief betroffen von seinem Tod. Wir haben einen Partner verloren, aber einen neuen Alten Meister gewonnen."


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