Salzburger Nachrichten am 27. März 2006 - Bereich:
"Kontracom" verteidigt umstrittene Projekte

SALZBURG-STADT (SN, APA). „Unsere Kunstprojekte bestehen nicht aus formalen Details, sondern in der Wirkung, die sie beim Betrachter auslösen. Alle Projekte sind eigens für den öffentlichen Raum in der Salzburger Altstadt konzipiert. Es gibt sie noch nicht, daher können sie auch im Detail nicht erläutert werden.“ So verteidigte sich der für die bildende Kunst zuständige Kurator des Salzburger Mozartjahr-Festivals „Kontracom“, Max Hollein (im SN/Stadler-Bild), am Montag in einer Pressekonferenz gegen den Vorwurf, seine Kunstprojekte nicht sorgfältig vermittelt zu haben.

„Jedes Detail, das wir von den einzelnen Projekten vor der Eröffnung des Kunstwerkes bekannt geben, würde nur vorschnelle Interpretationen fördern. Wir müssen den Künstlern die Freiheit geben, ihre Projekte im Rahmen der Genehmigungen zu entwickeln“, sagte Hollein, hauptamtlich Leiter der Frankfurter Kunsthalle Schirn. Hollein betonte, dass Salzburg über eine herausragende Architektur verfüge, die andere künstlerischen Ausdrucksformen wie die gewohnten auch sehr belaste und einschränke. „Es geht in Kontracom nicht zuletzt um Deutungs-Hoheit. Und vergessen wir nicht, Es ist ein Vertrauensvorschuss der Künstler, dass sie nach Salzburg kommen und hier zu arbeiten bereit sind.“Das in Salzburg besonders umstrittene Projekt von Paola Pivi, die einen auf den Kopf gestellten Helikopter zu Füßen der Mozart-Statue platzieren wollte und jetzt aus genehmigungs-technischen Gründen auf den Residenzplatz ausweicht, verdeutlicht laut Hollein die menschliche Sehnsucht und das Scheitern.

„Das ist ein wunderschön surreales Bild einer unglaublich interessanten Konzept-Künstlerin, der es niemals um die Provokation geht. Und dieser Hubschrauber wird sich deutlich besser in das Stadtbild einfügen als etwa die überdimensionalen Mozartkugeln oder die geplante Übertragungsleinwand für Fußballspiele.“

Hans Schabus, der die Sicht auf den Mirabellplatz mit einer Bretterwand verstellen will, zwinge die Salzburger in seinem Projekt zu einer radikal veränderten Wahrnehmung, erläuterte Hollein. „Man muss sich auf Schabus einlassen, Schabus nimmt sich seinen Raum einfach und stülpt seine Kunst zwei Monate lang drüber. Das wird den Blick auf den Mirabellplatz nachhaltig transformieren.“

Das Festival Kontracom dauert von 12. Mai bis 16. Juli und besteht neben einer Konzertreihe aus insgesamt zehn Performances und Präsentationen zeitgenössischer Kunst. Am Anfang steht das Filmprojekt von Knut Asdam, und Christoph Büchel wird eine Fußgänger-Unterführung umgestalten. Die Spezialisten für „Deplazierung“, Michael Elmgreen und Ingar Dragset, werden einen Kiosk gestalten und Ayse Erkmen versucht Plexiglasbälle mit einem der kleinsten Häuser in der Altstadt zu verbinden.

Jonathan Meese wird einen „fast ironischen und privaten“Mythos im Neutor schaffen, und mit Olaf Nicolai hat Hollein einen „sehr fordernden“ Straßenmaler engagiert. Michael Sailstorfer hat ein „nicht identifizierbares Objekt“ auf einem Kassa-Haus bei der Mirabell-Garage geplant. Den Abschluss bildet Markus Schinwald, er wird die Uhr am Rathaus modifizieren und will zu einer neuen Zeitwahrnehmung verhelfen.

"Besserwisserei und Selbstimmunisierungsgerede", "mangelnde Einsichtsfähigkeit" und "sture Rechthaberei": Das warf FPÖ-Klubobfrau Doris Tazl am Montag Max Hollein vor. Hollein betrachte den öffentlichen Raum in der Stadt Salzburg offenbar als Experimentierfeld für Künstler, deren Projekte die Salzburger nicht zu kommentieren und nicht zu kritisieren hätten. Der kontracom-Kurator habe mit seinen heutigen Aussagen ein abgehobenes, wenig demokratisches Kunst- und Kulturverständnis bewiesen.

Mit seiner Argumentation versuche Hollein, das Festival gegen Kritik zu immunisieren und spreche damit einer kritischen Öffentlichkeit in Salzburg auf eine ziemlich durchsichtige Weise die Berechtigung ab, das Festival und einzelne Vorhaben wie den Hubschrauber in Frage zu stellen. Die „kulturmissionarische Besserwisserei Holleins“ bestätige alle bisherigen Vorbehalte gegen das kontracom-Festival, kritisierte Tazl. Das Ganze sei ein abschreckendes Beispiel, wie wenig einzelne Künstler und deren Vertreter mit Kritik an ihren Projekten anfangen könnten.