Salzburger Nachrichten am 28. Dezember 2005 - Bereich: Kultur
Karneval und Leonardo Griechenland durfte für
das Jahr 2006 die Europäische Kulturhauptstadt nominieren. Auf Cork in
Irland folgt die Hafen- und Universitätsstadt Patras.
Patras (SN, dpa). Die griechische Hafenstadt Patras präsentiert sich im
neuen Jahr als Kulturhauptstadt Europas 2006. Sie bietet ein
Kulturprogramm, für das 17,5 Mill. Euro ausgegeben werden, einen für den
Südosten Europas einmaligen Karneval und eine der schönsten Landschaften
Griechenlands. Für ihren Auftritt hat sich die Stadt herausgeputzt: Viele
der neoklassizistischen Gebäude aus dem 19. Jahrhundert wurden renoviert.
"Wichtig für uns ist, unsere Stadt in ganz Europa als Kulturzentrum
bekannt zu machen", sagt der künstlerische Direktor Thanos Mikroutsikos.
Der Musiker und Komponist hat kein Interesse daran, spektakuläre
Veranstaltungen zu inszenieren. Er will "die Basis für eine bessere
Zukunft unserer Stadt" schaffen. Patras plant Kulturveranstaltungen zu sechs Themen. Neben einer großen
Ausstellung zu Leonardo da Vinci gibt es antike griechische Dramen auf der
Bühne, mit Tragödien und Komödien in einem römischen Amphitheater (19. Mai
bis 4. Juni). Ein weiteres Thema sind im November Kunst und Religion mit
byzantinischen Ikonen und Malerei. Vom 27. April bis 13. Mai gibt es
Poesie und Musik. Junge Interpreten sollen ihr Können präsentieren.
Höhepunkt des Kulturprogramms in Patras wird der Karneval sein, der sechs
Wochen lang - von 21. Jänner bis 5. März - gefeiert wird. Mit der offiziellen Eröffnung des Kulturjahres am 10. Jänner tritt
Patras die Nachfolge der irischen Hafenstadt Cork an, Europas
Kulturhauptstadt 2005. Patras im äußersten Nordwesten der Halbinsel Peloponnes ist mit 164.000
Einwohnern die viertgrößte Stadt Griechenlands und mit mehr als 20.000
Studenten auch eine der wichtigsten Universitätsstädte des Landes. Vor
allem das Nachtleben ist berühmt. Hunderte kleine Tavernen und Cafés
findet der Besucher rund um den Psilalónia Platz. Die Menschen sitzen bis
in die frühen Morgenstunden draußen. Durch die Stadt verläuft eine der ersten griechischen
Schmalspur-Eisenbahnen, sie verbindet Athen mit Patras. Die "Patrinoi",
wie sich die Einwohner nennen, sind auch auf andere Bauten stolz: 2004
wurde eine der längsten Hängebrücken Europas eingeweiht. Die als
Jahrhunderttraum bezeichnete 2,5 Kilometer lange Brücke verbindet den
Südwesten des Festlandes mit dem Nordwesten des Peloponnes. Dennoch hat die Stadt gewaltige wirtschaftliche Probleme. Zwei
Jahrzehnte der Deindustrialisierung hat sie hinter sich. Viele
Textilfirmen haben kapituliert oder sind abgewandert. 17 Prozent
Arbeitslosigkeit gab es heuer. Das ist höher als der griechische
Durchschnittswert von 10 Prozent. Zehntausende Touristen reisen jedes Jahr aus Italien per Fähre nach
Griechenland. Sie bleiben meist nicht in Patras, sondern reisen weiter
nach Olympia oder in den Süden des Peloponnes. Das große Kulturprogramm
soll die Stadt attraktiver machen. Einer Umfrage zufolge wussten selbst
von 1000 Griechen nur 16 Prozent, dass Patras Kulturhauptstadt Europas
2006 ist.Information: http://patras2006.gr/en/ |