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30.09.2004 - Kultur&Medien / Ausstellung
Belgrad: Das Täubchen und der Materialismus
VON GERTRAUD ILLMEIER
Robert Hammerstiels Holzschnitte werden in Belgrad gezeigt.

Man stellt sich den Menschen Robert Hammerstiel anders vor, als es die gesichtslosen, gebeugten, dunklen Figuren der Holzschnitte des Künstlers vermuten lassen - nicht so lebensfroh. Der 1933 in Werschetz (heute Vrsac) im Banat geborene Grafiker und Maler überlebte als Kind das kommunistische Vernichtungslager für Jugoslawiendeutsche in Knicanin. 1944 kamen er, seine Mutter und sein jüngerer Bruder ins Lager, 1947 gelang ihnen die Flucht nach Österreich.

Diese Jahre prägten sein Leben und Werk: "Ohne diese Erfahrung wäre ich ein mittelmäßiger Maler geworden", so Hammerstiel zur "Presse". Die Kunst half ihm, das Erlebte zu bewältigen: "Viele meiner Generation haben sich umgebracht. Die anderen sind ein bisschen verrückt und reden dauernd darüber. Ich habe gezeichnet." Diese Woche wurde in Belgrad eine Ausstellung von Hammerstiels Holzschnitten eröffnet. Sie zeigen die starken Frauen seiner Kindheit, die Mütter, die wegen der kriegsbedingten Abwesenheit der Männer, "uns alles sein mussten" und die "zu Raubtieren werden konnten, wenn man versuchte, ihnen die Kinder wegzunehmen".

Den Leidensweg der Frauen und Kinder, aber auch ihre Stärke und Würde hat er in seinem Buch "Von Ikonen und Ratten. Eine Banater Kindheit. 1939-1949" (Brandstätter Verlag 1999) dokumentiert. Es ist der erschütternde Bericht eines Kindes, das beschreibt, was es erlebt und fühlt, ohne zu verurteilen. "Ein Kind rechnet nicht ab", betonte Hammerstiel in Serbien, wo es "bis heute tabu ist, über die Deutschen zu sprechen", so Zoran Ziletic von der Gesellschaft für deutsch-serbische Zusammenarbeit. "Psychologisch schlimmer" als das KZ war für den Flüchtling die erste Zeit in Österreich: "Hier ist alles kalt und der Bauer schimpft mit mir. Ich ertrage es auch nicht, dass die Kinder zu dir Resi sagen und dich behandeln wie einen rotzigen Fetzen", klagt der Bub. Die Mutter beruhigt: "Mein Täubchen, die Menschen hier sind nicht schlecht. Sie haben nur andere Gesetze. Hier wird der Mensch nach seinem Besitz beurteilt." Hammerstiel heute: "Hitler war ein Verbrecher. Aber die große Tragödie finde ich bei Leipzig und Hegel. Dieser Materialismus macht den Menschen kalt."

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