20.11.2001 11:24:00 MEZ
Für aktive Kantinen-Benutzer
"Gnadenlos": Franz West in der MAK-Halle - "Alle Sitzgelegenheiten sind anwendbar"

Wien - "Alle Sitzgelegenheiten sind anwendbar": Die Ausstellung des österreichischen Bildhauers und Installationskünstlers Franz West, die das Museum für angewandte Kunst (MAK) vom 21. November bis 17. Februar in der MAK-Ausstellungshalle den vielfältigen Aspekten seines Werks widmet, mutet den Besuchern unter dem Titel "Gnadenlos" eine über die Funktion des Herumstehens und Schauens hinaus reichende Funktion zu.

Lauter Mumm...

"Stellen Sie sich vor diese Installation und lesen Sie, sofern sie den Mumm dazu haben, den Buchstaben evtl. gedehnt oder in englisch in jedem Fall laut!" lautet die schriftliche Einladung im Installationsraum "Selbstbezeichnung - der bedeutende Vokal". Hier prunkt der Riesenbuchstabe I an der Wand, der wahlweise als wienerisches oder englisches Ich rezitiert werden kann. Für die zentrale Ausstellungshalle hat West mit "Weigerung" seine bisher umfangreichste Arbeit kompiliert, ein zweiteiliges Environment, in dem der "Kantine" die Skulptur "Drama" beigestellt wurde. Aus 25 Tischen und 100 Stühlen besteht die "Kantine", die als feminines Substantivum von Kant verstanden sein will und sich aufs Kunstbetrachtungsdekret des "interesselosen Wohlgefallens" des Königsberger Philosophen bezieht.

Königsberger Klopse

Auch die Kantine ist benutzerfreundlich: Jeden Sonntag Mittag werden hier Königsberger Klopse nach dem Rezept des Haubenkochs Reinhard Gerer angeboten. Daneben spielt sich aber das "Drama" ab, eine riesenhaft aufgeblähte pinkfarbene verschlungene Skulptur, die an einen Darm ohne Ein- und Ausgang erinnert, dessen Inhalt zur ewigen Zirkulation verdammt ist.

"Passstücke" zur physischen Kontaktaufnahme

Auch neuere "Passstücke" gibt es, die Papiermasche-Skulpturen zur physischen Kontaktaufnahme, die in vielen internationalen Ausstellungen heute kaum mehr berührt werden dürfen. Erklärbar wird das angesichts der Kunstmarktpreise für einen der international renommiertesten Künstler, der in den letzten zwei Jahrzehnten auf keinem der internationalen Großereignisse fehlen durfte, aber mit vordergründiger Anpassung wie Schwejk (oder mit Wiener Schmäh?) hintergründig am Kunstmarkt und an Kunstmoden kratzt. In Wien dürfen nun die "Tournuren" ausdrücklich angefasst und - klobrillenartig wie sie sind - über den Kopf gezogen werden, mit der freundlichen Aufforderung, sich solcherart in Pose zu stellen.

Neue Außenskulpturen wurden rund ums Museum aufgestellt. Eine Serie von "Lemurenköpfen" aus Alu-Platten wurde auf die Pilonen der Stubenbrücke über den Wienfluss gepflanzt, aus dem Rasenbeet vor dem Lueger-Denkmal ist die Skulptur "Centripetale" 6,50 Meter hochgeschossen.

"Bildhauer übergießen gern"

Zur Ausstellungseröffnung am Dienstag Abend hat West einen seiner beiden Maseratis in die MAK-Halle geschafft, den er bei der Aktion "PAR BLEU" mit Farbe übergießen lässt. "Bildhauer übergießen gern", wird er dazu im Katalog (Hatje Cantz) zitiert, ein sorgfältig gestalteter Band, in dem alle Objekte und Environments in situ abgebildet sind. (APA)


Quelle: © derStandard.at