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Ars Electronica: Androiden-Zwilling im Kaffeehaus

02.09.2009 | 15:14 |  (DiePresse.com)

Premiere zum 30. Jubiläum: Im Linzer Ars Electronica Center kann man Bekanntschaft mit einem künstlichen Kaffeehaus-Besucher machen. Ein japanischer Forscher arbeitet an der perfekten Kopie von sich selbst.

Mit einer Weltpremiere wartet das morgen, Donnerstag, startende Linzer Ars Electronica Festival (bis 8. September), das heuer den Titel "Human Nature" trägt, zu seinem 30. Geburtstag auf: Zum ersten Mal präsentiert der japanische Forscher Hiroshi Ishiguro seinen Androiden-Zwilling "Geminoid" der Öffentlichkeit. Am Mittwoch stellten der künstlerische Leiter Gerfried Stocker und Ishiguro den künstlichen Menschen vor.

Geminoid ist schon seit Anfang August in Linz. Er verbrachte zwei Wochen als Gast im hauseigenen Cafe des Ars Electronica Centers und führte dort so manchen Besucher aufs Glatteis. Videos dokumentieren, wie die Menschen auf den Japaner reagierten: Der Android saß einsam an einem Tischchen, blickte immer wieder von seinem Laptop auf- und im Lokal herum und bekam gelegentlich ein Getränk serviert.

Echt oder nicht? Entscheidung in Sekunden

Meist dauerte es ein paar Sekunden, bis Kaffeehausbesucher erkannten, dass der "Gast" nicht echt ist. Kinder zeigten zwar Neugier, versteckten sich aber zuweilen. War das Eis einmal gebrochen, wurde Geminoid angesprochen, seine Silikonhaut angegriffen oder an seinem schwarzen Haar gezupft.

Der zweiwöchige Kaffeehausbesuch des Androiden ist kein Streich sondern Teil von Forschungsarbeit. Die Auswertung der Videos sollen zeigen, wie Menschen auf die Begegnung mit menschenähnlichen Figuren reagieren.

An zwei Orten gleichzeitig

Ishiguro sieht sich damit im Grenzbereich zwischen Wissenschaft, Kunst und Philosophie: "Wenn ich sage, er ist ein Gesprächspartner, akzeptieren Sie das. Wenn ich sage, er ist eine Sexmaschine - würden Sie das auch akzeptieren?", fragt er provokant.

Er selbst setzt hingegen auf eher praktische Einsatzmöglichkeiten für seinen Schützling: Als Forscher, der zwischen mehreren Einrichtungen pendelt und obendrein noch Familie hat, sei es manchmal ganz praktisch an zwei Orten gleichzeitig sein zu können, findet er.

Soll Wesenszüge übernehmen

Der Japaner forscht unter anderem an der Universität Osaka. Er arbeitet daran, einen Roboter zu schaffen, der seinem menschlichen Vorbild nicht nur äußerlich bis aufs Haar gleicht, sondern auch seine Wesenszüge übernimmt. Sein erster Versuch war ein kindlicher Roboter, der seiner Tochter nachempfunden war. Nun wählte er sich selbst als Kopiervorlage.

Über ein sogenanntes Tracking-System ist es möglich, Gesichtsbewegungen eines Menschen aufzunehmen und auf das künstliche Wesen zu übertragen. Mittels dieses Tools kann man dem Roboter auch Worte "in den Mund legen".

Geminoid ist noch kein abgeschlossenes Projekt. Er lernt ständig weiter.

 


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