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11. Jänner 2007
10:14 MEZ
Ioan Holender vorsichtig optimistisch
Schröder lobt und fordert - Robert Schindel sieht sich "zwiespältig", Elfriede Jelinek "eine Katastrophe" - Und weitere Statements zu Ministerin Schmied

Wien - Vorsichtig optimistisch äußerte sich Staatsopern-Direktor Ioan Holender in einer ersten Reaktion über die Designierung der Bankerin Claudia Schmied als künftige Ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur. Ihm sei Schmied persönlich nicht bekannt, doch Burgtheaterdirektor Klaus Bachler, der sie kenne, halte es für eine sehr gute Entscheidung. Dem schließe er sich gerne an, schließlich sei es kein Kriterium für gute und kompetente Arbeit, ob jemand bekannt sei oder nicht.

Dass eine Bankerin nun die Kunstagenden vertreten werde, komme beinahe der Erfüllung seines Wunsches gleich, die Kunst am liebsten beim Finanzministerium anzusiedeln, so Holender schmunzelnd im Gespräch mit der APA. Er halte nichts davon, sofort alles schlecht zu machen: "Nach 100 Tagen haben sie sich endlich geeinigt. Nun sollte man ihnen doch wenigstens 100 Tage lassen, um zu sehen, was jetzt gemacht wird."

"Vielleicht kommt es diesmal umgekehrt"

Kritischere Worte findet der Staatsopern-Direktor zum Kulturkapitel des Regierungsprogramms. "Natürlich steht da nicht viel drinnen, aber früher wurde mitunter viel angekündigt, und es ist wenig passiert. Vielleicht kommt es diesmal umgekehrt."

Die drei die Bundestheater betreffenden Sätze werden von Holender genussvoll zerpflückt: "Die Bundestheater sind wichtiger Bestandteil der kulturellen Lebens in Österreich", heißt es dort. Für Holender nicht nur selbstverständlich, sondern auch zu kurz gegriffen: "Die Staatsoper ist ein wichtiger Bestandteil nicht nur der heimischen Kultur, sondern auch der Weltkultur." "Angestrebt wird eine Evaluierung der Bundestheaterorganisation und Mittelzuteilung an die einzelnen Häuser", heißt es weiters im Regierungspapier. Dies sei alles schon passiert, versichert Holender, nicht zuletzt im Auftrag des Staatssekretariats.

"Die Erhöhung der Basisabgeltung und die Rückzahlung der 'einmaligen Zuwendung' an die Staatsoper wird nach Maßgabe der budgetären Möglichkeiten geprüft", heißt es im Regierungsprogramm. Die 10 Mio. Euro Mehrbedarf, von denen in den Koalitionsverhandlungen die Rede gewesen sei, "sind nicht einfach so dahingesagt gewesen", repliziert Holender. Und das verborgte Geld werde man mit Sicherheit zurückerhalten, "notfalls entscheiden das die Gerichte, aber kein Regierungsprogramm."

Bezüglich der Zukunft der Leitung der Staatsoper ab 1.9.2010 habe es in den vergangenen Tagen keinerlei Gespräche mehr gegeben, so Holender. Er gehe aber davon aus, dass der neue Bundeskanzler um die Dringlichkeit der Entscheidung wisse.

Schottenberg pragmatisch

Pragmatisch sieht Volkstheater-Direktor Michael Schottenberg das Ergebnis der Regierungsverhandlungen: "Glücklich bin ich nicht, aber wann bin ich schon glücklich?" Man könne im Moment vielleicht auch andere Dinge betonen: "Man kann der neuen Regierung alles Gute wünschen." Ob die Ressortverteilung klug gewesen ist, sei von außen ohnehin schwer zu beurteilen. Mit Claudia Schmied als Chefin des Unterrichts-, Kunst- und Kulturministeriums ist Schottenberg nicht unglücklich: "Ich kenne sie nicht persönlich, aber ihr eilt ein guter Ruf voraus."

Schmied besteche durch soziale Intelligenz, Kompetenz und großes Interesse für die Kultur. Sie sei eine Managerin, die wohl am allerbesten wisse, dass es wichtig sei, in die Kultur in Österreich zu investieren. Für das große Ressort gemeinsam mit den Unterrichtsagenden hofft er, "dass die Bildung der Kultur den Rücken stärkt". Dies hänge ja nicht zuletzt von der Person ab. In Bezug auf eine Erhöhung der Basissubvention des Volkstheaters könne man "nur warten und hoffen, dass die neue Ministerin die Probleme erkennt und dementsprechend handelt". Dafür sei vor allem gute Kommunikation nötig, die mit den Verantwortlichen der alten Regierung nicht immer gegeben gewesen sei.

Für Schröder "eine Idealbesetzung"

Sehr erfreut hat Albertina-Direktor Klaus-Albrecht Schröder die Ernennung von Claudia Schmied als Unterrichts- und Kunstministerin zur Kenntnis genommen. Schmied sei vergleichbar mit Ex-Minister Rudolf Scholten, sie habe "Kunst und Kultur von Kindesbeinen an aufgesogen", sagte Schröder gegenüber der APA. Die sozialdemokratische Neo-Ministerin war mit der Kommunalkredit, wo sie Vorstand war, eine wichtige Partnerin der Albertina.

"Genau wie Scholten damals ist Schmied jetzt eine Idealbesetzung", ist Schröder überzeugt. Ihre wichtigste politische Aufgabe im Bereich der Bundesmuseen sei "die Erhöhung der Basisdotierung und deren Verteilung". Sie werde sich auch in Bezug auf die im Regierungsprogramm angekündigten zwölf eintrittsfreien Tage im Jahr nicht von "vorschnellem Dirigismus" leiten lassen, ist sich der Direktor sicher. Er lobte die Kompetenz und das Interesse von Schmied, dies habe sie schon bei der Kunstsammlung für ihr Unternehmen unter Beweis gestellt.

Noever: "Erfrischend"

"Gut, dass ein neues Gesicht kommt - das ist erfrischend." Der Direktor des Museums für Angewandte Kunst (MAK), Peter Noever, hat sich im Gespräch mit der APA durchaus positiv über die neue Ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, Claudia Schmied, geäußert. Dass die Agenden der Kunst in dem großen Ministerium nicht untergehen, hänge von der Person und deren Interessen und Vorstellungen ab. Tatsache sei, dass Österreich eine Strategie und ein Programm im Kunst- und Kulturbereich benötigen: "Eine Veränderung tut Not."

Gerade der zeitgenössischen Kunst sei im Vorfeld viel zu wenig Platz eingeräumt worden, so Noever. "Man hätte sich da ganz anders positionieren können." Für den MAK-Leiter muss "Österreich dabei sein, wenn die neue Kunst entsteht". Es gehe um eine "völlige Neuorientierung" nicht nur im politischen Bereich - auch wenn mit den politischen Verantwortlichen natürlich viel umgesetzt werden könne. "Kunst, die entsteht, braucht Raum zum Atmen."

Der im Regierungsprogramm festgeschriebene Plan eines eintrittsfreien Tages pro Monat in den Bundesmuseen wird von Noever nur belächelt. "Das ist eine kindische Idee. Wir haben seit fast vier Jahren jeden Samstag freien Eintritt." Er bemängelte "die immer neoliberalere Ausrichtung und stärkere Abhängigkeit der Kunst von der Wirtschaft". Dadurch würden die Entwicklungschancen stark getrübt.

Robert Schindel "zwiespältig"

"Zwiespältig" äußerte sich der Schriftsteller Robert Schindel gegenüber der APA zur Regierungsbildung. Durch die Zusammenlegung von Kunst und Unterricht könne das Unterrichtsministerium wie in der Ära Scholten mehr Gewicht erhalten als ein reines Kunstministerium. Die Auswirkungen würden davon abhängen, welche Akzente der oder die zuständige Minister/in setze.

"Interessiert sich jemand nur für die Bildung, wäre es eine Katastrophe." Claudia Schmied kenne er nicht, so Schindel, dass diese nicht aus der Kultur, sondern aus der Wirtschaft komme, spiele aber keine Rolle. "Scholten war auch Jurist."

"Enttäuscht" sei er, dass die SPÖ mit der Fixierung auf eine große Koalition ihre beiden Wahlversprechen zu Studiengebühren und Eurofightern nicht eingelöst habe, so Schindel. "Mit hätte besser gefallen, sie hätte eine Minderheitsregierung riskiert. Aber dazu hätte es Mut gebraucht, und als Zuschauer ist es billig, das zu fordern", räumte der Autor ein. Mit der Abtretung wichtiger Ministerien an die ÖVP sei die SPÖ "in die gleiche Falle" getappt. "In wesentlichen Punkten droht sich die schwarz-blau-orange Politik unter einem sozialdemokratischen Bundeskanzler fortzusetzen", so Schindel. "Überraschen lasse ich mich gerne von Gusenbauer, aber glauben tue ich es nicht."

Marlene Streeruwitz "optimistisch bis kritisch abwartend"

Skeptisch äußerte sich die Schriftstellerin Marlene Streeruwitz gegenüber der APA über Claudia Schmied als neue Ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur. Streeruwitz befürchtet einerseits, dass Schmied neben dem "Riesenprogramm" an Bildungsaufgaben ohne eigenen Kunststaatssekretär keine Kapazität für die Kultur bleibt, andererseits hätte sie sich jemand aus dem Kulturbereich für diese Aufgabe gewünscht. Generell beschrieb die Autorin ihre Haltung zur neuen Regierung als "optimistisch bis kritisch abwartend".

"Dass eine Bankerin sich in Bildungsfragen einarbeitet, ist schon möglich, aber bei der Kunst ist das nicht so einfach", glaubt Streeruwitz. "Vielleicht hat Frau Schmied ja die nötige Fachkompetenz in Kunstfragen. Dass die Präsidentin der Salzburger Festspiele sich begeistert über sie äußert, ist aber noch kein Beleg dafür." Im Kuratorium gehe es vor allem um Abrechnungen, die Festspiele stünden zudem für "reaktionäre Repräsentationskultur", während im Regierungsprogramm ein Akzent auf zeitgenössische Kunst gelegt werde. Sie hoffe jedenfalls auf einen "neuen Ton" in der Kulturpolitik, so Streeruwitz, "dass es Interesse an Kommunikation gibt, dass Kunstschaffen prinzipiell positiv aufgefasst wird, dass diese Nestbeschmutzerhaltung aufgegeben wird und die Deutungskompetenz der Kunst akzeptiert wird."

Das Wichtigste an der neuen Regierung ist für Streeruwitz, dass der Vizekanzler weder Wolfgang Schüssel noch Karlheinz Grasser heißt. Es bedeute einen politischen Neubeginn, "dass nie wieder hinter diesem komischen Acrylstehpult dieses Duo auftritt, das die Lähmung an sich dargestellt hat". Von Alfred Gusenbauer könne man aber nicht verlangen, dass er wie ein "Superman" nun sofort alles anders mache. Dass die Wahlversprechen der SPÖ "angekratzt" seien, werde durch den Pragmatismus gerechtfertigt, der nötig sei, um den Stillstand der letzten Jahre aufzuheben. Denn es gehe um eine Änderung der politischen Kultur, was in einer Alleinregierung nicht möglich gewesen wäre, glaubt Streeruwitz.

"Wahlversprechen gehen davon aus, dass man die Wahl gewonnen hat, aber die SPÖ hat die Wahl eben nicht wirklich gewonnen", meint Streeruwitz. Auch die Argumentation, welche Partei welche Ministerien bekommen habe, gehe von Siegerfragen aus. Der Verzicht auf Superman-Images und den Rückgriff auf Siegerbilder bedeute aber den "Beginn der Entwöhnung von Populismus. Das ist ein großer politischer Schritt."

"Wenn jetzt ein ÖVP-Minister mit einem SPÖ-Finanzstaatssekretär ein Budget aushandeln muss, kann das ein völlig neues Klima herstellen", glaubt Streeruwitz; der Neubeginn liege in den völlig neuen Personen in der Regierung. "Es ist nicht mehr das Fußballfeld, auf dem man die anderen tritt."

"In einer post-nationalistischen Gesellschaft ist es notwendig, der Globalisierung mit einer Politik nach innen zu begegnen, die die Bürger einbezieht, nicht durch negative Abgrenzung nach außen, etwa durch eine aggressive Ausländerpolitik", so Streeruwitz. Mit dem Erwachsenenbildungsgeld, der Gesamtschule oder einem neuen Ausländerrecht habe die neue Regierung sich jedenfalls große Reformen für das Wohlergehen der Gesellschaft vorgenommen. "Es gibt eine Art guten Willen. Wie weit er führt, wird an der Reife aller Beteiligten liegen."

Hochzeit für Kabarettisten

Als "Katastrophe" bezeichnete Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek die "ÖVP-Regierung mit SPÖ-Bundeskanzler". Die SPÖ "nimmt in dieser Regierung die Position ein, die früher das BZÖ eingenommen hat (das jetzt aber zum Glück wenigstens draußen ist)", sagt Jelinek in der morgen, Donnerstag, erscheinenden Ausgabe der Nachrichten-Illustrierten "News".

Jelinek befürchtet, dass "diese Regierung der äußersten Rechten, der FPÖ, unglaublich Auftrieb geben wird." Dass das Innenministerium - "wie überhaupt alle Schlüsselressorts" - bei der ÖVP geblieben ist, dazu sagte Jelinek: "Ich fasse es nicht."

Schauspieler Erwin Steinhauer meint in "News": "Ich fühle mich als Wähler missbraucht, verkauft und verraten. Das Land wird weiter schwarz regiert. Die SPÖ ist für mich in dieser Regierung der Juniorpartner. Es ist eine glatte Umkehr des Wahlergebnisses, es wird eine Hochzeit für Kabarettisten werden." Steinhauer zeigte sich "zutiefst betroffen. Nur weil einer in der Sandkiste einen Traum gehabt hat, wird alles über Bord geworfen." Es sei eine "Schande, dass der Bundesparteivorstand das zu 75 Prozent akzeptiert. Das ist ein Armutszeugnis sondergleichen, das die Partei sehr zu spüren bekommen wird. Die Künstler, die sich kurz zugewendet haben, werden in Scharen davonlaufen."

Robert Menasse fordert von der künftigen Kulturpolitik "nichts. Absolut nichts. Wer dieses Amt unter den von Gusenbauer ausgehandelten Bedingungen antritt, hat schon damit seine absolute Kulturlosigkeit bewiesen." Ganz ähnlich äußerte er sich auch im Ö1-Morgenjournal.

Synergie-Effekt

Als "schöne Überraschung" begrüßte der Schauspieler Harald Krassnitzer gegenüber der APA die neue Ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur. Sie sei "eine sehr kluge Frau mit vielen Berührungspunkten zur Kultur", so Krassnitzer über Claudia Schmied, die er allerdings nicht persönlich kennt. Die Zusammenlegung von Unterricht und Kunst habe einen "großen Synergie-Effekt" und gebe dem Ministerium einen größeren Stellenwert als einem reinen Kunstministerium.

Es gebe nun sowohl in der Kultur- und Bildungspolitik "sehr klare Vorgaben, wohin die Reise gehen muss", meint Krassnitzer. "Eine Katastrophe" sei die Beibehaltung der Studiengebühren. "Wenn die SPÖ schon das Finanzministerium abgibt, hätte man zumindest in diesem Punkt einhaken oder einen anderen Kompromiss erzielen müssen. Ich hoffe, dass das korrigiert wird." (APA)


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