Wenn man nach der Reise über den übervollen Gürtel
und durch das geschäftige Hietzing schließlich im vogelzwitschernden
Lainzer Tiergarten landet, sieht man schon ein paar der vielen Gesichter
Wiens.
In der Wiener Hermesvilla begegnen sie einem dann 300-fach.
Zerbrechliche Antlitze, wilde Fratzen und gekrönte Häupter aus vier
Jahrhunderten reihen sich hier nebeneinander. In der Dependance des Wien
Museums sind sie alle auf kleinstem Raum zusammen: Kaiser, Schönheiten,
Politiker, Verbrecher, Künstler, Kinder, Freaks, Unbekannte und Tote. Das
Wien Museum, dessen Porträtsammlung 100.000 Werke zählt, hat für "Schau
mich an" eine gut verdauliche und anregende Auswahl getroffen, die eine
Geschichte Wiens erzählt.
Für die Ewigkeit
Den Anfang der Schau machen "Bilder gegen das Vergessen" – geliebte
Menschen wurden für die Ewigkeit gebannt. Porträts sollten immer schon
Vergängliches festhalten, dazu gehört auch Erotik und Jugend: Herzige
Wiener Mädels neben barbusigen Damen des 19. Jahrhunderts reihen sich im
"Schönheiten-Kabinett".
"Schau mich an" sagen aber auch jene, die die Kraft der Bilder zur
Machtdarstellung und Propaganda nutzten: Franz I., Karl Lueger, Engelbert
Dollfuß, Adolf Hitler bis zu den Politikern von heute.
Interessant ist anzusehen, wie sich Bildersprache und Symbolik bis zu
den aktuellsten Wahlkampfplakaten verändert haben.
Vater, Mutter, Kind
Aber auch Familien wollten Stärke und Geschlossenheit demonstrieren:
Die Vater-Mutter-Kind-Konstellationen zeigen die sozialen Veränderungen
durch die Epochen – Biedermeier-Idyll, eine Kaisertrauung neben einer
Kleinhäuslerhochzeit, Alltag der Familie Moll bis zu legendären Trude
Fleischmann-Bildern, von der sich viele Schauspieler ablichten ließen.
Künstlerporträts haben hier aber auch einen eigenen Bereich: mit
Abbildungen von Stars aus Film und Fernsehen oder der Hans-Makart-Muse und
Theaterdiva Charlotte Wolter. Auch ein Werk von Arnold Schönberg findet
sich hier – er porträtierte Alban Berg. Zur Malerei inspiriert wurde er
von Richard Gerstl, der eine Affäre mit Schönbergs Frau Mathilde hatte.
Ein verzweifeltes Selbstporträt von Gerstl hängt nebenan, ein paar Bilder
weiter Gustav Mahler oder Adolf Loos. Jedes Bild erzählt seine
Geschichten, vernetzt mit denen der anderen. Man könnte stundenlang in den
Gesichtern lesen und dabei stückchenweise Wiener Geschichte begreifen.
Also, schauen Sie sich das an!
Wiener Porträts
Wien Museum Hermesvilla,
Lainzer Tiergarten
Dienstag bis Sonntag und Freitag, 10 bis 18 Uhr
Bis 7. Jänner 2007
http://www.wienmuseum.at/
Sehenswert.
Donnerstag, 13. April
2006