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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
06. Dezember 2005
19:54 MEZ
Von Thomas Trenkler aus Miami Beach  
Foto: STANDARD/Trenkler
Treffender Kommentar von Marko Lulic am Stand von Gabriele Senn auf der Art Basel Miami Beach: "Total Living" drängte die übrige Kunst völlig in den Hintergrund.

Champagner unter Palmen und der totale Kaufrausch
Der Art-Basel-Ableger in Miami Beach setzte auch im vierten Jahr seine Erfolgsgeschichte fort: Thaddaeus Ropac machte Umsatz in Millionenhöhe, viele Galeristen waren ausverkauft

... - trotz der sechs parasitären Alternativmessen.


Adrett gekleidetes Personal schob unablässig Getränkewägelchen mit Champagner, das Glas zu zwölf Dollar, durch die Gänge im Convention Center von Miami Beach. Es dürfte auch am Stand von Gabriele Senn vorbeigekommen sein, der von einem 4,5 Meter langen Schriftbild mit riesigen rosa Lettern fast gesprengt wurde: Total Living drängte die übrige Kunst, die Fotografien Amelie von Wulffens, völlig in den Hintergrund.

Mit Total Living, der US-Antwort auf den "totalen Krieg", gestattete sich Marko Lulic, der mit seiner Installation eine Zeitschriftenreklame für Aluminium aus 1942 zitierte, einen recht passenden Kommentar: Die Art Basel Miami Beach, kurz ABMB, ist längst, obgleich von 1. bis 4. Dezember erst zum vierten Mal ausgetragen, ein gesellschaftliches Großereignis geworden. Bei dem auch Francesca Habsburg nicht fehlen darf: Im Ballsaal des mondänen Raleigh Hotels präsentierte ihre Thyssen-Bornemisza Art Contemporary (T-B A21) ein Buch von Janet Cardiff.

All die Dinners und Partys - zum Auftakt spielten direkt am Strand die New York Dolls auf - dienten aber nur einem: Kohle zu machen. Kritische wie sperrige Kunst hatte da in der Regel nichts verloren. Und auch Wagnisse ging kaum ein Galerist ein - man diente sich den insgesamt 36.000 Besuchern, neun Prozent mehr als 2004, mit dem Besten, Buntestem, Teuersten an, sprich: vor allem mit dekorativer Malerei.

Euphorie und Kitsch

Gerd Harry Lybke, Galerist der hippen Leipziger Schule, war bereits nach drei Stunden und 15 Minuten arbeitslos: Er hatte alle Bilder, darunter einen Neo Rauch aus 1993 (um 320.000 Dollar) und lasziven Katzen-Kitsch von Martin Eder (um je 60.000 Dollar), an den Mann gebracht. Die übrige Zeit konnte er, euphorisiert, nutzen, um Werbung für seine Schützlinge zu machen.

Stefan Schmidt-Wulffen - der Rektor der Akademie der bildenden Künste führte eine Gruppe von Sylvia Eisenburgers Gesellschaft der Freunde der bildenden Künste durch die Messe - kam angesichts der bezahlten Preise (350.000 Dollar für einen Martin Kippenberger und 650.000 Dollar für einen Georg Baselitz) aus dem Staunen nicht heraus: Der Markt sei, sagte er immerzu, wahnwitzig überhitzt.

Was Thaddaeus Ropac natürlich nicht so sehen wollte. Auch wenn der Salzburger Galerist gleich am Eröffnungstag eine Landschaft und ein Porträt von Alex Katz um 250.000 bzw. 170.000 Dollar verkaufte, eine Holzskulptur von Tony Cragg um 350.000 Dollar, einen Baselitz um 225.000 Dollar, einen Gilbert & George um 125.000 Dollar et cetera.

Die weiteren Österreicher - von Meyer Kainer (mit Gelitin als Eyecatcher) über Engholm Engelhorn (mit Venedig-Vorarbeiten von Hans Schabus) bis zur Galerie nächst St. Stephan (mit "Malerei" von Adrian Schiess) konnten zwar nicht in dieser Hochpreisliga mitspielen. Sie machten aber dennoch blendende Geschäfte. Richtig fröhlich war Grita Insam, die unter anderem eine mit Logos verzierte Manfred-Erjautz-Puppe nach Los Angeles verkaufte: Sie bekam erst kurzfristig, dank Schützenhilfe von Ursula Krinzinger (die im Auswahlkomitee sitzt), einen der 195 Stände zuerkannt.

Ernst Hilger hatte sich, wie über 400 andere Galeristen, erfolglos beworben: Leicht deprimiert baute er seinen Stand auf der Pulse auf. Aber auch er und Lukas Feichtner hatten schließlich Grund zum Strahlen: Sie meldeten "sold out". Insgesamt 7000 Besucher kamen in das etwas billig eingerichtete Zelt im so genannten Designdistrikt von Miami, der Gesamtumsatz der beteiligten 48 Galerien betrug mehr als vier Millionen Dollar.

Die Pulse, auf der die Mark Moore Gallery aus Santa Monica sogleich alle Bilder des österreichischen Schmalix-Schülers Christoph Schmidberger los schlug (von 8500 bis zu 20.000 Dollar), war aber nicht die einzige Gegenmesse: insgesamt gab es deren sechs.

An der Scope zum Beispiel, eingemietet im Townhouse Hotel, beteiligte sich u. a. die Galerie Brunnhofer aus Linz. Dort konnte man noch Neues zu erschwinglichen Preisen entdecken, z. B. den Oehlen-Schüler Simon Hemmer bei Anna Klinkhammer und die Wienerin Eva Grün bei der Frankfurter Galerie Schuster.

Das Alternativangebot der ABMB hingegen, die Art Positions mit 20 von Junggalerien (darunter Lisa Ruyter) befüllten Containern am Beach, enttäuschte eher. Und auch der Versuch, den öffentlichen Raum zu bespielen, scheiterte: Die Art Projects unter anderem von Julian Opie, Ugo Rondinone und dem Atelier van Lieshout gingen ziemlich unter. Leider fehlte auch eine Arbeit: Erwin Wurm schaffte es nicht mehr, sein neues Fat House fertig zu stellen ... (DER STANDARD, Printausgabe, 07./08.12.2005)


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