In ihrer
Eröffnungs-Retrospektive zeigt die Albertina Edvard Munchs Werk als
Synthese von Malerei und Grafik.
Es ist wohl kein Zufall, dass Edvard
Munchs Gemälde „Der Schrei“ nicht nur zu den meistreproduzierten
Werken der Moderne gehört, sondern auch zu den Lieblingsmotiven von
Pubertierenden – steht es in seiner expressiven Formensprache doch
für Angst, Verzweiflung und Isolation. Paradigmatisch für das
Gesamtwerk Munchs, hat es in der von Antonia Hoerschelmann
kuratierten Eröffnungsausstellung der Albertina einen prominenten
Platz gleich am Anfang gefunden.
Unter dem zunächst sperrig
wirkenden Untertitel „Thema und Variation“ wurden hier etwa 200
Arbeiten, großteils Leihgaben aus dem Munch-Museum in Oslo, mit dem
Ziel zusammengestellt, die wechselseitigen Einflüsse zwischen
Malerei und Grafik sichtbar zu machen. Dabei wurde die
naheliegendste und schlüssigste Entscheidung getroffen, die Hängung
nach jenen Themen und Motiven zu konzipieren, die Munch oft sowohl
als Gemälde als auch als Grafik umgesetzt hat. Vergleiche zwischen
den Medien werden damit nahe gelegt, etwa zwischen dem Schrei und
seiner Lithografie-Version, die mit ihrer raschen Verbreitung durch
eine Kunstzeitschrift Munch einst als eine Art Karrieresprungbrett
gedient hat.
Die Themen des 1863 geborenen Norwegers kreisen
– wir befinden uns schließlich im Fin de Siècle – meist um
Existenzielles, um Krankheit, Tod und die Unmöglichkeit der Liebe.
Während die blockhafte Verschmelzung der Liebenden in den
zahlreichen Variationen des „Kusses“ innige Zweisamkeit
demonstriert, entpuppt sie sich in den ebenfalls als Gemälde und
Grafiken realisierten Versionen des „Vampirs“ als fatal: Schon
umranken die langen roten Haare der blutsaugenden Femme fatale den
Unterjochten, der sich im Dunkel des Raums auflöst. An vier
Lithografien dieses Motivs können die sehr unterschiedlichen
Farbwirkungen gut verglichen werden – ein experimenteller Zugang zur
Druckgrafik, der auch bei den „Zwei Frauen am Strand“ sichtbar wird:
Hier hat Munch Holzschnitte teils mit Linoldruck, teils mit
Papierschablonen kombiniert.
Obwohl hier spannend ein
umfassendes OEuvre aufbereitet und effektvoll inszeniert wurde – auf
schmalen Stellwänden werden wie in einem Zoom zentrale Werke
hervorgehoben –, wäre manchmal weniger doch mehr gewesen: So hätte
man etwa leicht einige der ohnehin nicht sehr viel sagenden Akte
entbehren können und auch einige Landschaften, die hier vereinzelt
zwischen Themenkomplexen hängen, in die sie gar nicht passen. Die
weniger bekannten, dafür umso interessanteren späten Selbstporträts
des von Krankheit und Todesahnung gezeichneten Künstlers wurden
dagegen stiefmütterlich in die hintersten Ecken verbannt. Ziemlich
sicher eignen sich diese Arbeiten auch als Postermotive weniger gut.