Kunst kommt auch von Aufbegehren
Kämpfernatur. Er würdigt Arbeiter, US-„Befreier“ und verhöhnt Manager. Josef Schützenhöfers Kunst ist stets politisches Statement.
Martin Behr PÖLLAU (SN). Andere Zeiten, andere Gesichter. Ein weiland in den USA gemaltes Spottbild über Manager der Autoindustrie wird derzeit gerade von Josef Schützenhöfer überarbeitet. Die Personen erhalten neue, aktuelle Antlitze, die zynische Kritik an den Schattenseiten des Turbokapitalismus bleibt. Mit Akribie mischt der Maler seine Farben, verbringt täglich Stunden vor dem großformatigen Tafelbild. „Ich bin ein Arbeiter, ich brauche den täglichen Kontakt mit Pinsel und Leinwand“, sagt der in Vorau geborene Steirer, für den Malerei immer auch mit Haltung, mit politischem Statement verbunden ist.
In Österreich ist er mit seinen lebensgroßen Porträts von Fabriksarbeitern (Steyr-Daimler-Puch, Semperit) bekannt geworden: Frauen und Männer im Blauzeug („Jedes Arbeitskleid hat eine eigene Geschichte“), realistisch gemalt, ungeschönt und doch immer würdevoll gezeigt, mit den Spuren des Lebens in ihren Gesichtern. Für die Hofburg hat der an mehreren US-Universitäten ausgebildete Künstler ein Porträtbild von Bundespräsident Thomas Klestil geschaffen, nicht nur aus seinen technoiden Stilleben – etwa Inneneinsichten in Automobile, Traktorbilder oder Maschinen- und Motorendetails – spricht eine handwerkliche Souveränität.
Josef Schützenhöfer ist kein Angepasster, keiner, der die Kunst des Netzwerkens beherrscht, vielmehr ein Streitbarer, eine – manchen oft unbequeme – Kämpfernatur. Einer, der aus dem Kleingeist der Provinz Inspiration filtern kann, dessen Ärger über lokale Borniertheit und internationale Fehlentwicklungen sich in Hunderten von Zeichnungen entlädt: Kunst, um sich besser im Leben zurechtfinden zu können. In seiner oststeirischen Heimat Pöllau kämpft der Künstler etwa seit Jahren um das Ansehen von 21 amerikanischen Alliierten, die bei Abstürzen 1944 ums Leben gekommen waren.
„Auf offiziellen Kriegerdenkmälern kommen ihre Namen nicht vor. Dabei waren es unsere Befreier“, sagt Schützenhöfer. Einen von ihnen, Harry Moore, hat er gemalt. Als „Liberator“.
Einen anderen aus der Besatzung, Robert Otto, der sich vor 65 Jahren mit einem Fallschirm aus seiner in Brand geschossenen Maschine retten konnte, hat er eingeladen, Pöllau zu besuchen. Mit finanzieller Unterstützung des steirischen VP-Landeshauptmannstellvertreters Hermann Schützenhöfer, einem weitschichtigen Verwandten. Die sehr emotionale Besichtigung der Absturzstelle sowie herzliche Begegnungen mit der Bevölkerung verschafften dem Künstler Schützenhöfer Genugtuung. Auch dass eine Schulklasse angeboten hat, für das Gedenkprojekt „On this foreign field“ eine Erinnerungsskulptur zu bauen. Zumal alle seine Vorschläge auf Ergänzung des Pöllauer Kriegerdenkmals bislang von der Politik abgelehnt wurden. „Es geht um Würde. Um einen würdigen Umgang mit der Geschichte. Auf amerikanischen Kriegerdenkmälern finden sich auch Namen getöteter Gegner. Warum müssen bei uns die Befreier namen- und gesichtslos bleiben?“
Schützenhöfer, der immer wieder englische Worte und Satzteile in seine Sprache einfließen lässt – zwei Jahrzehnte lang lebte er als Künstler und Zahntechniker der Marine in den USA – hat ein Motto: „Kunst kommt von Arbeit.“ Täglich kommt er in sein Atelier im Schloss Pöllau, zieht den mit Farbflecken übersäten blauen Arbeitsmantel an und malt. Zwischen unzähligen Kunstkatalogen, CDs, privaten Fotos, halbfertigen Leinwänden, mit Zeichnungen prall gefüllten Mappen fühlt er sich wohl, hier konstruiert er mit großer technischer Präzision und viel Herzblut Gegenbilder zu einer Gesellschaft, in der sich Kälte eingenistet hat: „Jeden Tag ein Bild, eine Karikatur oder zumindest einen Entwurf.“
Seinen Ansatz einer Kunst, die gesellschaftspolitisch aktiv ist, mögen manche romantisch nennen. Seine pointierte Gegenständlichkeit mag ein Fremdkörper im hiesigen Kunstbetrieb sein. Doch Josef Schützenhöfer kann nicht anders. Sein flammendes Engagement, seine satirische Wut drängen auf Entladung auf Papier oder Leinwand. Realistisch. Denn: „Das Soziale ist nicht abstrakt“, wie es der Germanist Klaus Zeyringer in einem Text über Schützenhöfer formuliert hat.