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03. Dezember 2008
13:30 MEZ

Giambattista Tiepolos 'Portrait of a Lady as Flora' mit zwei Assistenzfiguren


Spektakuläre Einzellose und einige Unlust bei Kunstauktionen
Canaletto und Tiepolo punkteten in London, ein früher Van Gogh in Amsterdam, ein Seurat in Paris, Nolde und Macke in München - aber es blieb auch viel liegen

London/Frankfurt/Main/Amsterdam/Paris/München/Wien - Eine Versteigerung von Gemälden alter Meister hat am Dienstagabend dem Londoner Auktionshaus Christie's einen Erlös von rund 14,7 Millionen Pfund (17,25 Millionen Euro) eingebracht. 80 Prozent der eingebrachten Werke wurden verkauft. Den Spitzenpreis erzielte eine Abbildung des Canale Grande in Venedig von Canaletto. Sie wechselte für 3,85 Millionen Pfund (4,5 Millionen Euro) den Besitzer, wie Christie's am Mittwoch mitteilte.

Besonders erfreut äußerte sich das Auktionshaus über den Erlös für ein erst kürzlich wiederentdecktes Werk von Giambattista Tiepolo. Dieses erzielte 2,84 Millionen Pfund (3,3 Millionen Euro) - gerechnet hatte man höchstens mit 900.000 Pfund. Das Porträt einer spärlich bekleideten Dame namens "Flora" war vermutlich aus moralischen Erwägungen lange Zeit auf dem Boden eines französischen Schlosses versteckt worden. Laut Richard Knight, bei Christie's für alte Meister zuständig, zeigte diese Versteigerung, dass immer noch eine große internationale Nachfrage nach solchen Werken bestehe.

"Voluit Winter, Ook in het Leven"

Eine der ersten Aquarellzeichnungen des niederländischen Malers Vincent van Gogh (1853-1890) ist in Amsterdam für 151.000 Euro und damit das Dreifache des unteren Schätzwertes versteigert worden. Van Gogh war noch kein professioneller Künstler, als er die Zeichnung "Voluit Winter, Ook in het Leven" (Vollkommen Winter, auch im Leben) 1877 anfertigte. Zu jener Zeit arbeitete er noch als Assistent in einer Galerie und als Buchverkäufer, versuchte sich aber bereits auch als Maler.

Wie das Auktionshaus Christie's am Mittwoch mitteilte, gab es etliche Interessenten für das Frühwerk, das zuvor auf 50.000 bis höchstens 70.000 Euro geschätzt worden war. Der neue Besitzer blieb zunächst anonym. Vorbild für das Aquarell Van Goghs - es ist eines von nur wenigen erhaltenen Arbeiten aus dieser frühen Schaffensphase - war eine Lithographie des niederländischen Malers Jozef Israëls (1827-1911). Sie gehörte zu einer Reihe von Bildern etablierter Künstler, die Van Gogh seinerzeit bewunderte und zum Vorbild für eigene Malversuche nahm.

Eine Auktion bei Christie's in Paris am Montag war indes weniger zufriedenstellend für die Organisatoren verlaufen. Für Werke von Impressionisten und modernen Künstlern wie Pierre-Auguste Renoir und Pablo Picasso wurden insgesamt nur 7,67 Millionen Euro erzielt. Erhofft hatte man sich 20 Millionen Euro. Dies wurde als Zeichen gewertet, dass sich die Finanzkrise nun auch auf den Kunstmarkt auswirkt.

"Au divan japonais"

Für eine Zeichnung des Neoimpressionisten Georges Seurat ist am Mittwoch in Paris ein Rekordpreis von fast fünf Millionen Euro bezahlt worden. Wie das Auktionshaus Sotheby's mitteilte, lag der Schätzpreis für das zwischen 1887 und 1888 entstandene Werk "Au divan japonais" eigentlich nur bei 750.000 bis 1.000.000 Euro. Der erzielte Preis von 4.992.750 Euro sei der höchste, der weltweit für eine Seurat-Zeichnung bezahlt worden sei und der zweithöchste bezogen auf das Gesamtwerk des Künstlers. Seurat (1859-1891) zählte zu Lebzeiten zu den bekanntesten französischen Malern. Einige Jahre nach seinem Tod geriet er aber zunächst fast in Vergessenheit. Zahlreiche Werke wurden ins Ausland verkauft.

Insgesamt versteigerte Sotheby's bei der Impressionismus- und Moderne-Auktion am Mittwoch Werke für 12,7 Millionen Euro. Ein Höchstpreis wurde auch für ein Bild von Albert Gleizes bezahlt, der als einer der Hauptvertreter des Kubismus gilt. Für das 1914 entstandene Werk "Paysage cubiste" zahlte ein Käufer knapp über 900.000 Euro.

"Frauen am See"

 Zwei Werke von August Macke und Emil Nolde sind in München für zusammen mehr als 1,7 Millionen Euro versteigert worden. Noldes Ölgemälde "Landschaft" sei für 900.000 Euro an einen süddeutschen Sammler gegangen, teilte das Auktionshaus Ketterer Kunst am Donnerstag in München mit. Das auf 300.000 Euro geschätzte Aquarell "Frauen am See", das Macke 1913 malte, erzielte 816.000 Euro. Insgesamt wechselten Werke von Künstlern wie Gabriele Münter, Max Liebermann oder Ernst Ludwig Kirchner den Besitzer für fast 4,2 Millionen Euro. Der Kunstmarkt sei stabil, auch wenn die internationale Beteiligung stark nachgelassen habe, sagte Auktionator Robert Ketterer.

"Auf der Suche nach der verlorenen Zeit"

Bei der ersten Tranche der 71. Kunstauktion des Wiener Auktionshauses "im Kinsky" fand am Dienstag über die Hälfte des Angebots keinen Käufer. Bei der Klassischen Moderne erzielte man bei einer Verkaufsrate von 50 Prozent einen Umsatz von 1,82 Mio. Euro, bei den Zeitgenossen 1,11 Mio. Euro bei 45 Prozent Verkaufsrate. "Ein Abend der Selektion, nicht ganz unerwartet angesichts der internationalen Schwäche der Kunstmärkte", hieß es in einer Presseinformation resümierend.

Eine "Winteridylle" von Alfons Walde wurde erst nach dem letzten Hammerschlag für 120.000 Euro (brutto 148.800 Euro) verkauft, seine "Kirche in Kitzbühel" kam auf 124.000 Euro. "Amazonen" von Friedrich König erreichten laut Kinsky mit 106.000 Euro ebenso einen Rekordpreis wie Alfred Wickenburgs "Brücke am Arno" mit 86.600 Euro. "Unsere Jugend" von Anton Kolig reüssierte mit 78.650 Euro im Mittel der Schätzungen, zwei Klimt-Blätter brachten es auf je 111.000 Euro.

Ein Bild von Maria Lassnig ("Innerhalb - Außerhalb"), das auf 100.000 bis 180.000 Euro geschätzt worden war, wurde mit 154.280 Euro zugeschlagen, Leherbs "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" ging für einen Rekord von 90.520 Euro an einen ausländischen Bieter. Für Hermann Nitsch und Arnulf Rainer sei die Nachfrage hingegen enttäuschend gewesen, heißt es aus dem Auktionshaus. (APA/dpa/AP)

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