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Herbstauktionen in New York: Im Zeichen der Finanzkrise

03.11.2008 | 11:12 |  (DiePresse.com)

Kann der Kunstmarkt der Krise standhalten? Der Chef des Auktionshauses Christie's hält das für unrealistisch. Einen Rekord könnte es aber trotzdem geben. Unter den Hammer kommen Bilder von Malewitsch, Bacon, Degas und Munch.

Angesichts der Finanzkrise werden die traditionellen Herbstauktionen in New York mit besonderer Spannung erwartet. Die Kunsthäuser Sotheby's und Christie's erhoffen sich bei den am Montag beginnenden Versteigerungen zwar Rekordpreise für einige herausragende Werke, insgesamt jedoch ist die Stimmung zurückhaltend. "Die Preise aller Anlagen sind gefallen - Aktien, Gold, Öl, Immobilien. Es wäre unrealistisch zu erwarten, dass Kunst gegen den Druck des Marktes immun sein sollte", sagte Christie's Amerika-Chef Marc Porter der "New York Times".

60 Millionen Dollar für Malewitsch

Ein Highlight zum Auftakt ist das Schlüsselwerk "Suprematist Composition" (1916) des russischen Avantgarde-Künstlers Kasimir Malewitsch. Sotheby's hat für das Werk des seinerzeit in der Sowjetunion verfemten Künstlers einen Preis von mehr als 60 Millionen Dollar (47 Millionen Euro) angesetzt. Weitere Spitzenangebote sind etwa ein Selbstporträt von Francis Bacon (40 Millionen Dollar), die Ballett-Tänzerin "Danseuse au repos" von Edgar Degas (40 Millionen Dollar) und die ungewöhnliche Liebesszene "Vampir" von Edvard Munch (30 Millionen Dollar).

Nach einigen enttäuschenden Verkäufen andernorts haben die New Yorker Auktionshäuser vorsichtige Preise angesetzt. Vor wenigen Wochen hatte Sotheby's in London bei der Versteigerung zeitgenössischer Kunst noch nicht einmal den unteren Schätzwert erreicht. Ein Top-Gemälde des deutschen Malers Gerhard Richter ("Jerusalem", 1995) blieb unverkauft. "Nach London haben wir Kontakt zu unseren Kunden aufgenommen und über Anpassungen gesprochen", sagte der New Yorker Sotheby's-Vorstand Alex Rotter. "Käufer werden 20 bis 30 Prozent weniger zahlen müssen als noch vor einigen Monaten."

Chance für Sammler

Der "New York Times" zufolge haben die Auktionshäuser auch ihre eigenen Risiken möglichst heruntergefahren. Sotheby's habe nur mehr halb so viele Preisgarantien gegeben wie noch im vergangenen Jahr, berichtete das Blatt. Dennoch seien fast 300 Millionen Dollar fest zugesagt. Mit den Garantien sichern die Versteigerer dem Verkäufer im Voraus einen bestimmten Mindesterlös zu, unabhängig davon, wie hoch der erzielte Preis am Schluss ist.

Für die Käufer sehen Experten die möglicherweise sinkenden Kunstpreise auch als Chance. "Viele Sammler, die in der Vergangenheit wegen der aggressiven Mitbieter nicht zum Zuge kamen, sehen jetzt auch für sich wieder eine Chance", sagte Christie's Amerika-Vize Brett Gorvy.

Picasso wird doch nicht versteigert

Für Aufsehen sorgte die Nachricht, dass ein wertvolles kubistisches Gemälde von Pablo Picasso kurzfristig von der Auktion zurückgezogen wurde. Das Bild "Harlekin" (1909) sollte ein Glanzstück bei Sotheby's sein und wurde auf mindestens 30 Millionen Dollar veranschlagt. Das Unternehmen gab "private Gründe" für die Entscheidung an. Medienberichten zufolge wurde aber befürchtet, es könne angesichts der derzeit unsicheren Lage zu wenig einbringen.

Malewitsch unterm Hammer

Der am Montag angebotene Malewitsch gehört zu einer Serie von insgesamt fünf Bildern des Künstlers, die das Stedelijk Museum in Amsterdam nach einem jahrelangen Rechtsstreit im vergangenen Frühjahr an die Erben des russischen Suprematisten zurückerstattet hatte. Laut "New York Times" versuchten die Nachfahren zunächst, die Bilder für insgesamt 300 Millionen Dollar privat zu verkaufen. Dies scheiterte jedoch.

Bei der Versteigerung des Einzelwerks jetzt soll es angeblich bereits das vertraglich bindende Festgebot eines Käufers geben. Zahlt ein anderer Bieter bei der Versteigerung mehr, wird der ursprüngliche Interessent am Zusatzerlös beteiligt.

 


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