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Kunstberichte

Die Eroberung der Straße

Von Monet bis Grosz
Illustration
- Adolph Menzels „Pariser Wochentag“ aus dem Jahr 1869.  Foto: Gemäldegalerie, museum kunst palast, Düsseldorf

Adolph Menzels „Pariser Wochentag“ aus dem Jahr 1869. Foto: Gemäldegalerie, museum kunst palast, Düsseldorf

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Dem Entstehen der Großstädte Paris und Berlin wurde erstmals nach der Schau "Metropolis" 1992 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt eine neue Konzeption gewidmet. Direktor Max Hollein wählte ein Kuratorenteam mit dem Zürcher Spezialisten für Bauentwicklung, Vittorio Magnago Lampugnani, und der Expertin für französischen Impressionismus, Karin Sagner, denen sich Matthias Ulrich von der Schirn anschließt. In Frankfurt geht es nun bis 3. September nicht nur um die Malerei, sondern vor allem um die technischen Aspekte der veränderten Megastädte.

"Die Eroberung der Straße. Von Monet bis Grosz" integriert auch Stadtpläne, Plakatkunst, Fotografie und Film.
300 Exponate aus namhaften Institutionen enthalten Raritäten wie eine Ansicht von Claude Monets Bahnhof Saint-Lazare, Karikaturen von Honoré Daumier und Felix Vallotton, Plakate von Henri de Toulouse-Lautrec und Filme der Brüder Lumière. Neue Plätze und Stadtparks, Bahnhöfe und die Weltausstellung 1900 mit dem berühmten Eiffelturm, sowie Beleuchtung und neue Fortbewegungsmittel bieten für die neu entstandene Großstadtmalerei zahlreiche Sujets.

Auf der anderen Seite aber lauern die besonders spannenden Gefahren des "Molochs" Großstadt. Besonders George Grosz und Ludwig Meidner haben nächtliche Umtriebe wie Raub, Prostitution und Mord zu apokalyptischen Visionen gesteigert. Dafür ist vor allem die malerische Sensation des Nachtstücks verantwortlich. Auf diesem Gebiet gibt es weniger bekannte Spezialisten wie Albert Birkle, Jakob Steinhardt, Lesser Uray oder Maxime Maufra, die das gefährlich Schöne ganz besonders beherrschen. Ernst Ludwig Kirchner schlägt da eher ins Melancholische, nicht minder aufregend ist das märchenhafte Glitzern bei Henri Le Sidaner. Dieser Maler wurde schon 1909 anlässlich einer Ausstellung zu den "Nuits de Paris" von Guillaume Apollinaire gelobt, das Glitzern der Glühbirnen besonders virtuos zu gestalten.

Dynamik und Mobilität sind in friedlichen Szenen wie Camille Pissarros "Boulevard Montemartre" und den extremen Einblicken in Straßenschluchten von Lovis Corinth, sowie bei Hanri Matisse und durch die zahlreichen, teils kolorierten Pläne nachvollziehbar. Was ein Eugène Haussmann in Paris durchsetzte, gelang in Berlin erst dem Schinkel-Nachfolger Peter Joseph Lenné.

Die Eroberung der Straße.

Von Monet bis Grosz .

Schirn Kunsthalle Frankfurt

http://www.schirn-kunsthalle.de/

Bis 3. September

Glitzernd.

Dienstag, 18. Juli 2006


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