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Der Standpunkt: Der versiegende Wille zur Kunst

10.05.2007 | SN
HEDWIG KAINBERGER

Was ist Edvard Munchs Gemälde "Sommernacht am Strand" wert? "Das soll heute kein Thema sein. Lasst uns heute feiern, eine bessere Welt zu schaffen." Dies sagte Marina Mahler, die Erbin Alma Mahler-Werfels, am Mittwoch auf die Frage eines Journalisten, nachdem die Republik Österreich ihr das Gemälde im Wiener Belvedere restituiert hatte.

Ja, lasst uns feiern! Neuerlich ist ein Zweifelsfall eines Kunsterwerbs während der Nazi-Zeit zu Gunsten eines damals Verfolgten und Vertriebenen bzw. seiner Erben entschieden. Die Republik Österreich gibt ein weiteres Beispiel, nicht mehr von Amts wegen still und stur auf Kunstwerken zu beharren, die unter bedenklichen Umständen erworben worden sind. Sondern sie ist bereit, in einem historisch grauenhaft belasteten Streit nachzugeben.

Und doch! Ein Grübeln nistet sich in die Stimmung des Feierns, des Dankens, der Rührung und der drückenden Tränen. Kleine Verzerrungen in der medienwirksamen Inszenierung der heimkehrenden Gerechtigkeit sind zu entdecken: Die Spedition war schon für den Nachmittag bestellt. Wohin kommt das Bild? Wird nicht gesagt. Bleibt es dort, wohin es ersehnt worden ist, in der Familie Alma Mahlers? Als Zeuge für Genie und Geisteskraft im "alten" Österreich einerseits und Demütigung im Nationalsozialismus andrerseits? Kein Kommentar. Vielleicht wird es bald Gegenstand einer ähnlichen Sensationsmeldung sein wie jener von Mittwochnachmittag: "Rekorde bei Sotheby's." Diesfalls wurde ein Aquarell Paul Cezannes um 25,5 Millionen Euro versteigert. Vor kurzem waren neue Klimt-Rekorde erreicht worden. Wird demnächst ein Munch-Rekord gebrochen? Ist das die "bessere Welt"?

Kulturministerin Claudia Schmied sagte anlässlich der Rückgabe des Gemäldes an Marina Mahler, die Bundesregierung sehe die Restitution als "historische Pflicht". Solche Einsicht ist nach Jahrzehnten des schweigenden Behaltens sehr zu begrüßen. Doch dies genügt nicht.

Längst hat es keine Pressekonferenz mehr gegeben mit einer Botschaft wie: "Republik kauft Klimt-Gemälde für Belvedere." Oder: "Bellini für Kunsthistorisches Museum erstanden." Seit Jahren werden Sammlungsbestände restituiert, die während der Nazi-Zeit damaligen Eigentümern unrechtmäßig genommen wurden. Doch diese Kunstwerke verlassen die Museen und meist auch Österreich ersatzlos. Die Ankaufsbudgets sind seit Jahren beschämend gering. Es ist wie ein Ausrinnen, wie ein willen- und kraftloses Auslassen. Dabei schmerzt nicht der materielle Wert des Verlorenen, sondern die bleibenden Lücken in den Museen als Speicher für kulturelles Erbe.

So wie nach der Rückgabe der Bilder Gustav Klimts ist mit dem Abtransport von Edvard Munchs "Sommernacht" für unsere Kulturpolitiker das Problem aus den Augen, aus dem Sinn. Ist das die "bessere Welt"?

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