Albertina eröffnet neue Räumlichkeiten mit zeitgenössischen Zeichnungen
Labyrinth für die Kunst
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Zeitgenössische Zeichnungen unterm Dach. Im Bild: Gottfried Helnwein: "Häftling", 1997. Foto: VBK Wien, 2008
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
![Aufzählung Aufzählung](00082521-Dateien/wzfeld.gif)
Als der antike König Minos seinen labyrinthischen Palast in Knossos vom
Ausnahmekünstler Dädalos bauen ließ, konnte der Herrscher nicht ahnen,
dass im Jahr 2008 ein Wiener Museumsdirektor seinem Beispiel folgen
würde.
Einen "Landschaftsgarten" nennt Klaus Albrecht Schröder
die von Georg Ambros und Ernst Ullmer gestalteten Räume im Dachboden
der Albertina, in denen ausschließlich Gegenwartskunst präsentiert wird.
Der Abschluss des großen Bauvorhabens kann nur in Tonnen ermessen
werden – besonders wichtig aber ist die Widmung der zusätzlichen
zweitausend Quadratmeter Ausstellungsfläche für internationale und auch
österreichische Kunst nach 1945.
Nächstes Jahr kommen hier mit Gerhard Richter und Jörg Immendorf zwei Renner der europäischen Kunstszene zum Zug.
Eröffnet werden die neuen Räumlichkeiten erfreulicher Weise mit
einem repräsentativen Überblick der heimischen Kunst nach 1970, mit
einigen Rückgriffen auf Papierarbeiten eines Arnulf Rainer, Günter Brus
und Alfons Schilling in den 60er Jahren.
Damit werden die beiden Hauptrichtungen der Nachkriegskunst
hierzulande abgedeckt: Einerseits der Aufbruch aus expressiver
gestischer Abstraktion und andererseits die fantastisch-surreale Phase.
Von Max Weiler bis zu Hubert Scheibl bildete sich ein neuer, autonomer
Umgang mit der Zeichnung heraus. Viele Kunstschaffende betrachten die
Zeichnung als gleichwertiges Ausdrucksmittel neben Foto und Video.
Denkt man an den kürzlich verstorbenen Adolf Frohner, ist sogar seine
ganze frühe Phase eher der Zeichnung als der Malerei zuzuordnen.
Die Kuratoren Schröder und Antonia Hoerschelmann können ihr
Kaleidoskop der österreichischen Gegenwartskunst in den weitläufigen
Räumen inhaltlich nach monografischen Konzentrationen, Konfrontationen
oder Korrespondenzen anordnen.
Harmonisch begegnen sich etwa Walter Schmögner und Eduard Angeli
oder die Hyperrealisten Gottfried Helnwein und Franz Zadrazil, die in
den 70er Jahren kurz in der Gruppe Zötus vereint waren.
Alois Mosbachers überlebensgroße Wanderer in Bleistift stehen für sich.
Die Albertina-Sammlung der neuen, wilden Malerei der 80er Jahre
versammelt wichtige Vertreter – von Siegfried Anzinger bis Hubert
Damisch, Herbert Brandl bis Hubert Schmalix. Die Künstler haben ihre
Blätter der Albertina zum Teil sogar geschenkt.
Schmalix männlicher Blick auf die Frau wird hier mit Adriana
Czernins Eigenanalyse konfrontiert. Neben bekannten Namen fallen
interessante Entdeckungen wie das Team Peter Hauenschild/Georg Ritter
oder Sonja Gangl positiv auf – ihr Vis-à-vis, Ulrike Lienbacher, ist
schon etablierter, dies gilt auch für die Damen Maria Lassnig, Elke
Krystufek oder die Realistin Florentina Pakosta.
Von den 30.000 Blättern nach 1970 können nicht alle auf diese Bühne
geholt werden. Vermisst wird vielleicht die Gruppe der "Wirklichkeiten"
mit ihrer Art brut, aber die traten schon 1968 auf. Nur die Ironiker
Franz West und Erwin Wurm kehren zur zeichnerischen Skizze zurück,
sonst wird das monumentale Format zum Signet für ein neues,
konzeptuelles Selbstverständnis der grafischen Techniken.
Die Schau beweist die Gleichwertigkeit von Zeichnung und Malerei.
Bildende Kunst
Nach 1970.
Österreichische Kunst aus der Albertina Klaus Albrecht Schröder, Antonia Hoerschelmann (Kuratoren) Albertina, bis 11. Jänner
Mittwoch, 15. Oktober 2008
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