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Josef Mikl: Eine prägende Gestalt der Malerei

04.04.2008 | 19:24 |  von DANIELA TOMASOVSKY (Die Presse)

Nachruf. Josef Mikl starb mit 78 Jahren in Wien. Er war ein Meister des Informel.

Ein Gegenstand macht das Bild erst sinnvoll. Josef Mikl, der als „Abstrakter“ galt, verblüffte zeitlebens gerne mit unkonventionellen Aussagen. „Eine nicht figurative Kunst gibt es nicht. Sie werden auch bei Arp, der als abstrakter Bildhauer gilt, Formen erkennen, die es gibt. Die Trennung von nichtfigürlich und figürlich ist stumpfsinnig“, erklärte er dazu weiter. Freilich dürfe man das Figürliche auch nicht überbetonen - der Inhalt sprenge sonst die Form. „Das ist gegen das Leben. Schlecht verbrämte und kitschige Sentimentalität. Man muss ja nicht sehen: Da ist ein Zimmer, da sitzt der Papa mit sechs Kindern und hält eines davon über den Topf.“

Mikl, der Provokateur, der schwer Fassbare, hat die österreichische Kunst nach 1945 wie nur wenige geprägt: Er sorgte gemeinsam mit Rainer, Prachensky und Hollegha dafür, dass Österreich nach den Schrecken der Nazi- Zeit wieder Anschluss an die internationale Kunstwelt fand und die eben noch als entartet gebrandmarkte Abstraktion wieder Fuß fassen konnte. Er wurde als bedeutendster Vertreter des österreichischen Informel gefeiert, verwahrte sich aber stets gegen eine Zuordnung als Repräsentant einer bestimmten Stilrichtung. Und von Moden hielt er nie etwas. „Das Wort Zeitgeist ist eine Beleidigung . . . Die Malerei verkehrt in dieser Gesellschaft nicht.“

Wie breit Mikls künstlerisches Lebenswerk ist, konnte man zuletzt 2004 bei einer großen Retrospektive in der Kunsthalle Krems sehen: Neben Ölbildern waren dort auch Arbeiten in Aquarell und Pastell, Skulpturen und Zeichnungen zu sehen. Stillleben und Kirchenbilder hat er ebenso geschaffen wie Maschinenbilder oder Arbeiten zu literarischen Themen von Nestroy oder Gogol. Das sicherlich bekannteste Werk des Künstlers ist aber die Neugestaltung von Decke und Wänden des Großen Redoutensaals der Wiener Hofburg. Nach dem Brand des Gebäudes entschied sich die damalige Jury für seinen Entwurf „als eineindeutiges und eindrucksvolles Zeugnis des ausgehenden 20. Jahrhunderts.“ Seine in Rot und Gelb gehaltene Arbeit besteht aus einem Deckenbild und 22 Einzelgemälden, es setzt bekannte Werke und literarische Figuren österreichischer Autoren bildnerisch um.

Als Josef Mikl vor 78 Jahren, am 8. August 1929, in Wien geboren wurde, standen schwierige Zeiten bevor: politische Unruhen und Machtübernahmen, ein Weltkrieg, der entbehrungsreiche Wiederaufbau. Für Mikl kein Hindernis, sich für die Malerei zu entscheiden. Schon als Kind interessierte ihn das Zeichnen mehr als alles andere. „Ich wollte nie Fußball spielen, und die Kollegen waren mir - mit wenigen Ausnahmen - zu blöd. Den Humor, den die gehabt haben, wollte ich nie - den erlebt man heutzutage im globalen Fernsehen mit eingeblendetem Lachen als Vorhöllenprogramm. Darum habe ich damals viel gelesen und gezeichnet. Ich bin quasi zweidimensional als Lesezeichen und Zeichenblatt aufgewachsen“, erzählte er. Das Talent blieb nicht unentdeckt. Schon sein Zeichenlehrer nannte ihn den „Michelangelo von Döbling“. Von 1946 bis 1948 besuchte Mikl die Grafische Lehr- und Versuchsanstalt, anschließend studierte er bis 1955 Malerei bei Josef Dobrowsky an der Akademie der bildenden Künste.

Das bestimmende Thema in Mikls Oeuvre ist, nach des Künstlers eigenen Worten, immer der Körper – wobei es ihm nicht um emotionale, psychische Bestandsaufnahme geht, sondern um physische Strukturen. Vor allem seine Maschinen- und Röhrenmenschen zeugen davon. Auch Stillleben machen einen großen Teil seines Werks aus - Blumen, Früchte, Spielzeug. Sie sind jedoch so weit abstrahiert, dass sich die Vorlage nur aus dem Bildtitel erschließen lässt. Mikl war neben Maria Lassnig und Friedensreich Hundertwasser Mitglied im legendären Wiener Art Club, dem wichtigsten Künstlertreff der frühen 50er-Jahre. 1956 gründete er gemeinsam mit Hollegha, Prachensky und Rainer die Gruppe Galerie St. Stephan – unter der Schirmherrschaft von Sammler und Domprediger Otto Mauer. Diese Galerie war damals das Zentrum der modernen Malerei, die für die neuen Strömungen aus Frankreich und Amerika aufnahmebereit war. Zehn Jahre nach der Gründung der Gruppe Galerie St. Stephan vertrat Josef Mikl Österreich auf der Biennale in Venedig. Es folgten weitere große Ausstellungen, die sein Werk würdigten. 1969 wurde Mikl an die Akademie der bildenden Künste berufen; er übernahm zunächst die Meisterschule für Malerei und 1972 die Meisterschule für Naturstudien. Immer wieder arbeitete Mikl für die Kirche: Er schuf die Fenster für die Friedenskirche in Hiroshima, für die Kirche in Parsch und in Lehen, gestaltete die Kapelle von St. Virgil. Zur Religion meinte er: „Es muss keine Verbindung zwischen Kunst und Religion geben. Ich sehe nicht die Religion, aber den Glauben als Disziplin. Und ich glaube nicht, dass ein Maler, der Bedeutung gehabt hat oder noch haben wird, ohne Glauben auskommen kann.“ Vor seinem Tod hatte der Künstler nach eigenen Worten keine Angst. Am Samstag ist Mikl nach kurzer, schwerer Krebserkrankung in seiner Wiener Wohnung gestorben.

"Die Presse" Printausgabe vom 5. April 2008


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