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dieStandard.at | Alltag | Frauenporträts 
23. August 2006
11:28 MESZ
Foto: Archiv
Tina Modotti
Geboren am 16.08.1896 in Udine
Gestorben am 05.01.1942 in Mexico City

"Ich kann das Leben nicht so akzeptieren wie es ist"
Ein Porträt zum 110. Geburtstag von Tina Modotti, sozialkritische Fotografin und Revolutionärin der 30er-Jahre

"Ich kann das Leben nicht so akzeptieren wie es ist - ich kämpfe ständig darum, mein Leben entsprechend meinem Temperament und meinen Bedürfnissen einzurichten - mit anderen Worten, ich lege zuviel Kunst - zuviel Energie - in mein Leben, und daher bleibt mir nichts, was ich der Kunst geben kann", schrieb die große Fotografin und Revolutionärin Tina Modotti über sich selbst. Sie war erst 46 Jahre alt, als sie - offiziell - an einem Herzschlag starb. In weniger öffentlichen Quellen wird gemutmaßt, dass die politische Aktivistin Opfer stalinistischer "Säuberungs-Aktionen" geworden ist.

Harte Kindheit: Proletariat hautnah

Geboren am 16. August 1896 in Udine/Italien, wuchs Tina Modotti in ärmlichen Verhältnissen - die Mutter Hutmacherin, der Vater gelernter Mechaniker und oft arbeitslos - einer kinderreichen Familie auf. Bereits im zarten Alter von zwölf Jahren musste sie als Textilarbeiterin zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Zehnstündige Fabriktage waren die Norm. Mit siebzehn ging sie nach San Francisco und verdiente sich ihr Brot anfänglich in einer Fabrik für Herrenhemden, später in der Hutproduktion.

Die Jahre als Fotografin

Nach und nach erwachte ihr Interesse für die Fotografie und im Jahr 1913 entschloss sie sich zur Arbeit im Atelier des berühmten Fotografen Edward Weston. Sie wurde seine Schülerin und Geliebte. Anfänglich der grafischen Fotografie sowie Detailaufnahmen von Gegenständen, Innenarchitektur und Pflanzen zugeneigt, fand sie ab 1922 ihr leidenschaftliches Betätigungsfeld in sozialkritischen Reportagen durch ihre Streifzüge durch die mexikanischen Armenviertel. Die ausdrucksstarken Porträts von südamerikanischen Frauen werden heute noch mit dem Namen Tina Modotti verbunden.

Politische Aktivistin

Als 1929 ihre große Liebe, der kubanische Revolutionär Antonio Mella, vor ihren Augen erschossen wurde, wollte und konnte sie nicht mehr fotografieren. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur kommunistischen Partei wurde sie 1930 verhaftet und einen Monat später des Landes verwiesen. Das war jedoch kein Anlass für Modotti ihre politischen Aktivitäten einzustellen, die ihr möglicherweise zum tödlichen Verhängnis geworden sind. In den 30er-Jahren war sie in den stalinistischen Auseinandersetzungen verstrickt und im spanischen Bürgerkrieg zwischen 1936 und 1939 arbeitete sie unter dem Decknamen "Maria" für die "Internationale Rote Hilfe" in Madrid. "Sie nahm Verwundete auf und versorgte sie, fuhr an die Front, um Verletzte vom Schlachtfeld zu holen, verteilte sowohl Suppe als auch Waffen an die spanischen Kämper und Kämpferinnen", schreiben Florence Hervé und Ingeborg Nödinger im "Lexikon der Rebellinnen" (Econ & List Verlag 1996).

Nach dem Sieg Francos flüchtete Tina Modotti nach Frankreich und konnte mit ihrem damaligen Freund, dem italienischen KP-Funktionär Vittori Vivaldi wieder nach Mexiko zurückkehren, wo sie am 5. Jänner 1942 starb. (dabu)


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